Metastasierter Brustkrebs kann meist nicht geheilt werden. Umso wichtiger ist es, darüber zu reden.

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Diskussion über ein Tabuthema (von links nach rechts): Bernhard Mraz, Medical Director von Novartis im Bereich Onkologie, Günther Steger, Brustkrebsexperte vom AKH Wien, Sabine Spitz, klinische Gesundheitspsychologin und Vizepräsidentin von Europa Donna Austria, Moderatorin Christina Lechner und Karin Kadenbach, Abgeordnete im EU-Parlament.

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Wien – Der Kampf gegen Brustkrebs ist eine medizinische Erfolgsgeschichte. "Bis zu 80 Prozent der Patientinnen können so gut therapiert werden, dass sie danach krebsfrei sind", sagte Günther Steger, Brustkrebsexperte am AKH Wien, im Rahmen der vom Pharmaunternehmen Novartis organisierten Brustkrebsinitiative "String of Pearls – Setzen wir gemeinsam eine Perle" am 5. Oktober in Wien.

Solche Erfolgsmeldungen prägen auch das vorherrschende Bild über die Krankheit. "Das wird schon wieder. Meine Tante hatte vor 20 Jahren auch ein Mamakarzinom und lebt noch immer." Aussagen wie diese bekommt Claudia Altmann-Pospischek, Brustkrebsaktivistin und Bloggerin, immer wieder zu hören. Sie zählt aber zu jenen fünf Prozent der Betroffenen, die meist nicht wieder in ihr altes Leben zurück können, die lebenslang Medikamente einnehmen müssen. Sie ist Teil der Unsichtbaren, die bislang kaum im öffentlichen Diskurs vorkommen: Frauen mit metastasiertem Brustkrebs, für die es üblicherweise keine Heilungschancen gibt.

Doch auch hier gibt es medizinische Fortschritte, wie Sabine Spitz, klinische Gesundheitspsychologin und Vizepräsidentin von Europa Donna Austria, einer NGO, die sich in 44 Ländern für die Anliegen von Brustkrebspatientinnen engagiert, betonte. "Wir wurden auch deshalb lange Zeit tabuisiert, weil viele Frauen nach ein, zwei Jahren verstorben sind. Doch es gelingt immer häufiger, die Erkrankung zu chronifizieren", sagte Spitz, die selbst seit mehreren Jahren betroffen ist.

Den Feind kennen

Bei der medizinischen Versorgung von Brustkrebspatientinnen belegt Österreich im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz. Das könnte sich in Zukunft ändern: "Die öffentliche Seite investiert viel zu wenig in Prävention, Gesundheitskompetenz und Forschung", kritisierte Karin Kadenbach, ehemalige Landesrätin für Gesundheit in Niederösterreich, die seit 2009 Abgeordnete im Europäischen Parlament ist.

Enormen Nachholbedarf bei öffentlichen Forschungsgeldern für klinische Studien ortete auch Günther Steger: "In den USA beträgt die öffentliche Finanzierung 18 Euro pro Kopf im Jahr, in Großbritannien und Deutschland sind es noch zwischen acht und neun Euro, Österreich kommt auf 20 Cent pro Einwohner." Damit ließen sich keine großen Fortschritte erzielen, vor allem nicht in der Krebsforschung, für die das Credo "Ich muss meinen Feind kennen, um ihn bekämpfen zu können" gilt.

Individueller Strauß an Behandlungsmöglichkeiten

Das Ziel sollte dem Experten zufolge eine zielgerichtete, individuelle und personalisierte Therapie für alle Patientinnen in einem sogenannten Brustgesundheitszentrum sein. In Österreich gibt es rund 40 dieser Netzwerke zur Behandlung von Brustkrebs. Der große Vorteil: Ein interdisziplinäres Team aus Experten wie Onkologen, Radioonkologen, Gynäkologen und Psychologen kommt regelmäßig in sogenannten Tumorboards zusammen, um für jede einzelne Patientin den Behandlungspfad und die optimale Therapie zu besprechen. "Die behandelnden Ärzte können so einen 'Strauß an Behandlungsmöglichkeiten' individuell zusammenstellen", erklärte Steger.

Diese Zentren seien auch prädestiniert für die Durchführung klinischer Studien, die derzeit vor allem von der Pharmaindustrie finanziert werden. "Die Zusammenarbeit klappt bislang sehr gut, auch die Abstimmung mit der Ethikkommission gelingt meist innerhalb weniger Wochen", betonte Bernhard Mraz, Medical Director von Novartis im Bereich Onkologie. Durch die neue EU-weit gültige Clinical-Trials-Regulation, mit der die Anforderungen für Genehmigung, Durchführung, Überwachung und Offenlegung klinischer Prüfungen ab dem Jahr 2019 vollkommen neu geregelt werden, könnte sich der frühe Zugang zu neuen Therapieoptionen aber verzögern, beschrieb Mraz ein mögliches Szenario.

Die richtige Sprache sprechen

Was es aus Patientinnensicht vor allem braucht: Zeit, Empathie und das Gefühl, in Entscheidungen eingebunden zu sein, sagte Sabine Spitz am Ende der Diskussion. Die Vizepräsidentin von Europa Donna Austria plädiert für eine angemessene Sprache in der Arzt-Patientinnen-Kommunikation: Mediziner sollten lernen, empathisch mit ihren Patientinnen umzugehen. Dazu zähle etwa auch, keine Prognosen abzugeben. "Ich habe anfangs meinen Arzt auch damit genervt und wollte wissen, wie lange ich noch leben werde. Eine seriöse Prognose gibt es aber nicht."

Trotz des begrenzten Zeitbudgets von Ärzten wünscht sie sich eine stärkere Einbindung der Patientinnen in Behandlungsentscheidungen, Begegnung auf Augenhöhe und eine ehrliche Aufklärung über die Nutzen und Risiken von Therapien. Um über Tabus sprechen zu können, brauche es vor allem eines: die passende Sprache. "Ärzte können ehrlich brutal oder ehrlich menschlich sein", so Spitz. (Günther Brandstetter, 9.10.2018)