Erinnert sich an acht bewegte Jahrzehnte seines politischen, gesellschaftlichen und persönlichen Lebens: Heinz Fischer.

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Nein, auch wenn unten vom Burghof die Bundeshymne heraufklingt, weil wieder ein Staatsgast mit militärischen Ehren empfangen wird, denke er nicht wehmütig an die Zeit zurück, als er noch selbst die Ehrenkompanie abgeschritten ist, resümiert Heinz Fischer im Schlusskapitel seines neuesten Erinnerungsbandes "Spaziergang durch die Jahrzehnte". Das im Unruhestand befindliche ehemalige Staatsoberhaupt der Republik Österreich, nunmehr im Namen der Republik als Hauptverantwortlicher des Jubiläumsjahres 2018 im Kanzleramt ressortierend, ist der Hofburg treu geblieben – derzeit residiert er aber jenseits des Leopoldinischen Trakts – in dem sich die Präsidentschaftskanzlei befindet – zwischen Amalienburg und Schweizertrakt.

Heinz Fischer, am 9. Oktober 1938 geboren, erinnert sich im Gespräch mit Herbert Lackner an acht bewegte Jahrzehnte seines politischen, gesellschaftlichen und persönlichen Lebens. Abgesehen von der authentischen und ehrlich wirkenden Erinnerungsarbeit liegt das Besondere des Bandes darin, dass der in Graz Geborene gemeinsam mit dem ehemaligen "Profil"-Journalisten die Stationen seines Lebens besuchte und angesichts der Orte das Erlebte Revue passieren lässt. Entlang der Orte und Gebäude erfährt man Persönliches und Geheimes, Subjektives und Objektiviertes.

Fischers Perspektiven erörtern luzide die Geschichte der Zweiten Republik – mit einem klärenden Fokus auf markante politische Ereignisse. Schritt für Schritt – im wahrsten Sinne des Wortes – erklärt Heinz Fischer die Geschichte des Landes, egal ob von seiner Wohnung in der Josefstadt (an der Adresse von Gustav Klimts Atelier) ausgehend, der Kindheit in Hietzing, vom Parlament oder der Löwelstraße, von Kreiskys Sofa, oder aus der Sicht seiner im schwedischen Exil geborenen Frau Margit.

Der passionierte Wanderer erörtert, abwechselnd zwischen amüsantem Plauderton und staatstragender Ermahnung, Begegnungen mit dem Who's who des 20. Jahrhunderts (von A bis Z, von Adamovich bis Waldheim & Zilk). Zwischenrufe von Wegbegleitern wie Ferdinand Lacina, Andreas Khol, Heide Schmidt oder Wolfgang Schüssel runden das Bild perfekt ab.

In seinem Vorwort erinnert Hugo Portisch an Heinz Fischers Credo aus Studententagen: "Man ist nicht gut beraten, sein ganzes Gewicht in eine Waagschale zu werfen, wenn man sich um die Überwindung eines Konfliktes, um die Gemeinsamkeit bemüht." In der Lebendigkeit des Erzählten, und vor allem des Erzählenden, liegt weniger eine Schlussbilanz, eher bzw. maximal das Resümee einer einzelnen von vielen (auch noch bevorstehenden) Etappen. (Gregor Auenhammer, 8.10.2018)