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Frauen am Arbeitsplatz werden noch immer anders bewertet als Männer – auch wenn sie ihre Gefühle äußern. Weint eine Frau, gilt sie rasch als nicht tough genug für den Job.

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Sich anmeckern und beleidigen zu lassen, dass der Flug verspätet ist oder es keinen Tomatensaft mehr an Bord gibt, das kennen viele Flugbegleiter und -begleiterinnen nur zu gut. Doch stets reagieren sie mit freundlichen Worten und einem Lächeln. Sie sollen sich verständnisvoll zeigen, freundlich bleiben.

Ständig seine echten Gefühle unter Kontrolle zu haben nennt man Emotional Labour, Emotionsarbeit. Geprägt hat den Begriff die Soziologin Arlie Hochschild, und zwar schon 1983. Doch er ist aktueller denn je. Künftig könnten durch Automatisierung viele Routinejobs wegfallen, wichtiger werden Social Skills und damit Berufe, in denen man mit Menschen arbeitet. Meist sind das Jobs, in denen vor allem Frauen tätig sind.

Emotionsarbeit ist besonders im Dienstleistungssektor gefragt, etwa in der Pflege, der Gastronomie und dem Kundendienst. Nötig ist sie aber auch in vielen hochqualifizierten Jobs. Managerinnen müssen gefasst bleiben, egal welche Fehler passieren. Ärzte sollen sich empathisch zeigen, auch wenn der Patient wegen Schnupfen ins Spital kommt. Die aufgesetzte Freundlichkeit kostet viel Energie: Eine Studie der Universität Maastricht kam zu dem Ergebnis, dass Menschen, die ihre Gefühle verstecken, häufiger unzufrieden in ihrem Job sind. Sie leiden eher an Schlafproblemen, Magen- und Kopfschmerzen und Erschöpfung.

Brüllende Männer, weinende Frauen

Sogar Uni-Professorinnen werden offenbar danach beurteilt, wie freundlich sie sind. Das bestätigt eine Auswertung der Northeastern University in Boston, die auf Onlinebeurteilungen von Studierenden beruht. Die Professorinnen wurden häufiger als "freundlich", "gut gelaunt" und "verständnisvoll" bezeichnet, ihre Kollegen als "intelligent", "charismatisch", "humorvoll", teilweise "genial" oder "brillant".

Das zeigt: Frauen am Arbeitsplatz werden noch immer anders bewertet als Männer – auch wenn sie ihre Gefühle äußern. Weint eine Frau, gilt sie rasch als nicht tough genug für den Job. Schreit ein Mann in der Konferenz vor Wut, übertreibt er vielleicht aus Sicht der Kollegen, doch in den seltensten Fällen schwindet die Sympathie für ihn, traut man ihm keine Führungsposition zu oder spricht ihm Kompetenz ab. Hans-Georg Wolff, Organisations- und Wirtschaftspsychologe an der Uni Köln, sagte der Süddeutschen Zeitung: Zwar sei das Ausrasten heute nicht mehr so gern gesehen, doch das "Rumbrüllen passt zum Klischee des aggressiven, kompetitiven Mannes, und deswegen irritiert es im Arbeitsumfeld nicht so stark wie das Weinen".

Geschlechtsstereotype

Geschlechterstereotype dominieren immer noch die Vorstellung des idealen Berufstätigen. Doch wenn eine Frau in der Konferenz ausrastet, ist das kaum besser, als wenn sie weint. Das ergab eine Studie der Universität Yale, bei der die Probanden den Status von Männern und Frauen, die ihre Gefühle äußerten, einschätzen sollten.

Sie schrieben wütenden Männern einen höheren Status als wütenden Frauen zu. Auch den Status des weinenden Mannes bewerteten sie niedriger, allerdings schade es ihm nicht so wie der weinenden Frau, sagt Wolff. Bei Männern werde emotionales Verhalten auf äußere Umstände zurückgeführt, bei Frauen auf Persönlichkeitsmerkmale. Die Kollegen denken dann: "Die ist in drei Jahren auch noch so", sagt Wolff. (Lisa Breit, Selina Thaler, 17.1.2019)