In betriebliche Gesamtkonzepte eingebettete Seminare und Maßnahmen sollten innerhalb eines klaren Fahrplans über einen Zeitraum von mehreren Monaten oder sogar Jahren immer wieder angeboten werden, ebenso Anreize und Freiräume, in denen sich Mitarbeiter und Führungskräfte auch selbstständig mit den Themen auseinandersetzen und weiterentwickeln können

Foto: Detailsinn Fotowerkstatt

Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: ap

"Ein Halbtagsworkshop sollte sich auf jeden Fall ausgehen!" Diese Vorstellung von Veränderungsprozessen findet sich immer wieder, sowohl bei Mitarbeitern als auch bei Führungskräften, wenn der Ruf nach Arbeits- und Gesundheitspsychologen laut wird, um "Maßnahmen" im Rahmen der gesetzlichen Präventionszeit nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) oder der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) zu planen. Man begegnet immer noch Verantwortlichen, die die Evaluierung von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz und BGF als Schikane, bestenfalls als Zeitverschwendung empfinden statt als Chance und Anstoß zu positiver Veränderung.

Vor allem aber wird verkannt, dass es einen relevanten finanziellen Faktor gibt: Jeder Euro, der in sinnvolle BGF-Maßnahmen fließt, rentiert sich zumindest im Verhältnis 1:3 für die Unternehmen. Leider lässt sich dies nicht immer in der nächsten Jahresbilanz ausweisen, sondern kumuliert langfristig und hängt von vielen Faktoren ab. Ob dieses Verständnis der Zusammenhänge gerade im Rahmen des ASchG vorhanden ist, reflektiert sich auch darin, ob die Themen bei der Geschäftsführung und den HR-Verantwortlichen angesiedelt sind oder bei Personen ohne Entscheidungsbefugnis.

Besonders ein Verständnis der Zusammenhänge ist wichtig, um einen Aufschrei zu vermeiden, wenn tatsächlich Probleme und Konflikte in täglichen Abläufen zutage treten. Gerade wenn diese zeigen, dass – auch gesundheitliche – Probleme im Betrieb aufgrund von Führungsverhalten oder starren Organisationsstrukturen entstehen, bieten sich Chancen, etwas zum Wohl des Unternehmens und seiner Mitarbeiter zu verändern. Wirksame Maßnahmen sind mehr als gute PR, auch wenn sie diese brauchen. Es ist nicht nachhaltig und ausreichend, einzelne Burnout-Seminare ohne Einbettung in eine Gesamtstrategie anzubieten, wenn Mitarbeiter durch internen Druck aufgrund zu vieler Projekte oder überforderter Führungskräfte überlastet sind. Gerade bei der Implementierung dieser für Firmen auch wirtschaftlich hoch relevanten Themen wird oft zu breit, zu schnell und zu wenig durchdacht vorgegangen. Alles soll anders werden, ohne wirklich etwas verändern zu müssen.

Verantwortung übernehmen

Veränderung bedeutet für viele im Umkehrschluss immer noch, dass falsch war, was bisher gemacht wurde, und es einen Schuldigen geben muss. Dieses Denken ist gerade in der heutigen Zeit mit ihren vielen Anforderungen problematisch, da es Motivation raubt und Innovation bremst. Eine Kultur der Verantwortung ermöglicht, Entscheidungen treffen zu können und für Fehler einzustehen.

Das heißt auch, dass Menschen in einem Unternehmen sich gegenseitig verpflichtet sind und ein Verständnis ihrer gegenseitigen Abhängigkeit haben. Hier ist gefordert, Verantwortung für sein Empfinden, seine Werte und seinen Gesundheitszustand zu übernehmen und entsprechendes Verhalten zu zeigen, auch mit Blick auf andere. Das schließt die Reflexion eigener Verhaltens- und Erlebensweisen und gegebenenfalls deren Veränderung mit ein – gerade, wenn es zu Problemen bei einem selbst oder bei anderen führt. Berufstätigkeit ist auch permanente Selbsterfahrung. Dies gilt sowohl für die individuelle als auch die organisationale Ebene.

In betriebliche Gesamtkonzepte eingebettete Seminare und Maßnahmen sollten innerhalb eines klaren Fahrplans über einen Zeitraum von mehreren Monaten oder sogar Jahren immer wieder angeboten werden, ebenso Anreize und Freiräume, in denen sich Mitarbeiter und Führungskräfte auch selbstständig mit den Themen auseinandersetzen und weiterentwickeln können. Gleichzeitig sind betriebliche Abläufe oder Wachstumsziele zu hinterfragen, die meist dafür verantwortlich sind, dass Mitarbeiter nicht Schritt halten können und krank werden. Abhilfe schafft hier die Integration von Konzepten wie Achtsamkeit.

Geduld hilft dort, wo Veränderung Zeit braucht, besonders wenn Verhaltensweisen und zwischenmenschliche Strukturen betroffen sind. Dies schließt mit ein, Schwierigkeiten und damit einhergehende Emotionen auszuhalten und nicht sofort hektisch eine Lösung zu suchen. Es bedeutet auch, genug Zeit einzuplanen, um Faktoren zu identifizieren, die das Auftreten von Problemen begünstigen, sie auslösen und vor allem aufrechterhalten. Wer davon ausgeht, kurzfristig und im Schnelldurchlauf alles verändern zu können, hat ein Grundprinzip der Änderung menschlichen Verhaltens und Erlebens nicht akzeptiert: Es dauert. (Tobias Glück, 10.1.2019)