Auch wenn Virtual Reality noch nicht die Masse erreicht hat, verzeichnet die Technologie beachtliche Fortschritte. Lieferte der Prototyp der Oculus Rift noch ein schlierendes Bild und ein ausschließlich sitzendes Erlebnis, bietet die aktuelle Generation nicht nur ein besseres Bild, sondern auch einen gewissen Bewegungsradius.

Dieser ist allerdings immer noch durch die meist geringe Größe des verfügbaren Raums eingeschränkt. Das hat zur Folge, dass man größere Distanzen erst recht wieder mittels Controller zurücklegen muss. Eine Lösung für dieses Problem waren bisher Treadmills, bei denen sich Spieler in eine Art "VR-Laufstall" einspannt. Aus Kosten- und Platzgründen bieten sich diese jedoch kaum als Option für das Wohnzimmer an.

Hier will nun das österreichische Start-up Cybershoes mit seinem gleichnamigen VR-Zubehör einspringen. Der STANDARD hat sich ins Wiener Büro der Firma begeben und mehrere Runden mit einem Prototyp der VR-Schuhe gedreht.

Ein Cybershoe-Prototyp in der Seitenansicht.
Foto: derStandard.at/Pichler

Durch die Hölle und den Winterwald

Die Cybershoes bestehen aus einer 3D-gedruckten Kunststoffschale mit Gummiauflage. Zur Befestigung am eigentlichen Schuhwerk nutzt die Vorversion eine Bindung für Snowboardschuhe. Für die Genauigkeit der Erfassung ist dabei fester Halt wichtig.

Die Schuhe sind drahtlos an den Rechner angebunden und wurden in Verbindung mit einer HTC Vive erprobt. Zur Sache ging es dabei zuerst in flotten Gefechten in Doom VFR, gefolgt von einem Ausflug in die frostigen Gefilde von Skyrim VR. Beides barg die Tücke, dass schon die normale VR-Steuerung für die Games ungewohnt war. Aber gerade die Fortbewegung mit den Schuhen erwies sich hierbei als leicht erlernbar.

Das Kickstarter-Launchvideo zu den VR-Schuhen.
Cybershoes

Leicht erlernbar

Gespielt wird sitzend. Bewegung erfassen die Schuhe über die integrierten Gyroskope sowie Rollen auf der "Sohle". Mit angedeuteten Schritt- und Laufbewegungen kann man sich nach vorne und zurück bewegen. Auch Richtungen werden grundsätzlich erkannt. Um die Schuhe aber tatsächlich gut verwenden zu können, wird ein stabiler, stationärer Sessel mit leicht drehbarer Sitzfläche benötigt.

Entsprechende Möbelstücke kosten laut den Entwicklern 60 Euro oder mehr. Käufer erhalten Empfehlungen für passende Hocker, wer sich das "Premium Package" holt, bekommt eine eigens entwickelte Sitzgelegenheit des Herstellers Hag nebst Teppichauflage.

Die Cybershoes werden mit einer Snowboardschuhbindung fixiert.
Foto: derStandard.at/Pichler

Auch wenn das Bewegungsprinzip leicht erlernbar ist, braucht es natürlich ein wenig Übung, um sich präzise und schnell mit den österreichischen "VR-Wanderschuhen" bewegen zu können. Dafür ermöglichen sie es, sich auch ohne "Controller-Teleport" durch große virtuelle Areale zu bewegen und dabei Blick- und Bewegungsrichtung voneinander zu trennen.

Heißt: Während klassisches "Strafing" (Seitwärtslauf) nicht unterstützt wird, kann man dennoch gut zur Seite ausweichen und Gegner gleichzeitig unter Beschuss nehmen. Das Navigieren zwischen den Gegnerhorden in Doom oder die eilige Flucht vor einem übermächtigen Drachen in Skyrim werden letztlich auch zu einer gewissen sportlichen Herausforderung.

In Aktion in "Skyrim VR".
Foto: derStandard.at/Pichler

Modularer Aufbau, breite Unterstützung

Der Prototyp der Cybershoes ist modular aufgebaut. Unter der Gummieinlage befinden sich Schrauben, mit denen das Gehäuse geöffnet werden kann. Die Hardware nutzt großteils Steckverbindungen. Ein Tausch der Rollen oder des Akkus ist leicht möglich. Das soll auch beim finalen Produkt der Fall sein. Eine Aufladung – im Moment findet sich in jedem Schuh ein 800-mAh-Akku – reicht für rund acht Stunden Einsatz.

Bei der Unterstützung ist man breit aufgestellt. Die Cybershoes sollen unter Windows, macOS und auch Linux funktionieren. Sie arbeiten nicht nur mit der HTC Vive, sondern auch mit der Oculus Rift, den Windows-Mixed-Reality-Brillen und dem chinesischen Pimax-VR-System zusammen. Eine Verwendung mit Playstation VR wäre denkbar, dafür bräuchte es jedoch offiziellen Support von Sony. Während Microsoft von selbst auf das Unternehmen zugekommen sei, habe Sony nicht einmal auf Anfragen reagiert.

Hitzige Gefechte in "Doom VFR".
Foto: derStandard.at/Pichler

Gamer retten Cybershoes

Für die Cybershoes ist es der mittlerweile zweite Anlauf. Man hatte zuvor schon versucht, sie Firmenkunden im Bereich der Architektur schmackhaft zu machen, etwa als Werkzeug für VR-Begehungen von Hausmodellen. Dort jedoch sei die Technologieskepsis relativ groß. Allerdings erhielt man bald den Vorschlag, es doch im Spielebereich zu versuchen. Und das funktioniert offenkundig.

Auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter haben die Cybershoes auch beträchtlichen Zulauf erhalten. 30.000 Euro wollte man dort mindestens einnehmen – ein Betrag, der allerdings von einem Investor hätte aufgestockt werden müssen. Dank rund 800 Unterstützern hat man dieses Ziel aber bereits um mehr als das Fünffache überschritten. Die Entwickler waren mit den Schuhen auch auf der Gamescom in Köln, wo sie nach eigenen Angaben viel positives Feedback erhielten.

Ein Youtuber testet die Schuhe mit "Skyrim VR".
MRTV - MIXED REALITY TV

Die Finanzierungskampagne läuft noch bis zum 1. November. 163 Euro kosten die Cybershoes im günstigsten Fall, 172 Euro, wenn man einen geeigneten runden Teppichbelag zusätzlich erhalten will. Man hofft, bereits im Jänner 2019 ausliefern zu können. (Georg Pichler, 13.10.2018)