Sigi Maurer auf der Anklagebank am Wiener Straflandesgericht: Derzeit prüft die Gegenseite weitere rechtliche Schritte.

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Adrian Hollaender, Anwalt des Bierwirts, gibt sich kämpferisch: "Dieser Fall ist ein Gradmesser dafür, wie sich der Einzelne im Rechtsstaat gegen falsche Anprangerungen wehren kann", meint er.

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Einen Tag nach dem umstrittenen Urteil am Wiener Straflandesgericht steuert die Causa "Bierwirt gegen Maurer" auf eine neue Eskalationsstufe zu: Angesichts des nicht rechtskräftigen Schuldspruchs für die grüne Ex-Abgeordnete Sigi Maurer wegen übler Nachrede stellt der Anwalt des Bierwirts weitere rechtliche Schritte in Aussicht.

Schon "in den nächsten Tagen" werden er und sein Mandant darüber entscheiden, ob auch sie gegen den Richterspruch vom Dienstag Berufung einlegen – allerdings freilich aus diametralen Motiven: "Ihm (dem Bierladenbetreiber, Anm.) ginge es um eine höhere Entschädigungszahlung für die erlittene Kränkung", wie Anwalt Adrian Hollaender dem STANDARD erklärt.

Konkret muss Maurer gemäß erstinstanzlichem Urteil 7.000 Euro, davon 3.000 an den Staat, 4.000 an ihren Privatankläger zahlen, weil sie die Identität des Mannes via Facebook und Twitter preisgegeben hat, von dessen Account im Bierladen sie zwei äußerst obszöne Privatnachrichten, Aufforderungen zum Oralsex sowie die Aussicht auf rüden Analsex, erhalten hat. Ihre Anwältin Maria Windhager legte umgehend Berufung ein.

Anleitung zum Weiterklagen

Nebst der eigenen Berufung prüft Hollaender im Sinne seines Mandanten aber auch noch weitere rechtliche Schritte – etwa ob auch zivilrechtliche Ansprüche gegenüber Maurer geltend gemacht werden können.

Hintergrund: Richter Stefan Apostol selbst hat bei seiner Urteilsbegründung darauf verwiesen, dass Maurer nicht wegen Kreditschädigung verurteilt werde, weil sie zum Zeitpunkt der Veröffentlichung den Geschäftsmann nicht vorsätzlich schädigen wollte – etwaige Ansprüche müssten daher auf zivilrechtlichem Wege angetreten werden.

Zudem prüft Hollaender derzeit auch, ob sein Mandant noch die Verletzung von Datenschutzgesetzen geltend machen könnte – was zivil- wie verwaltungsrechtlich relevant sein könnte, weil Maurer Name und Adresse des Bierwirts publik gemacht hat. Hollaender kämpferisch: "Dieser Fall ist ein Gradmesser dafür, wie sich der Einzelne im Rechtsstaat gegen falsche Anprangerungen wehren kann!"

Der Mann will die Botschaften an Maurer nämlich nicht abgesetzt haben – und verwies im Prozess auf seinen für die Kundschaft zugänglichen Computer.

Keine Anlassgesetzgebung

Das derzeit heiß diskutierte Urteil gegen Maurer, das in nächster Instanz vom Wiener Oberlandesgericht verhandelt wird, ist für Justizminister Josef Moser (ÖVP) kein Grund für Anlassgesetzgebung. Dennoch sprach er am Mittwoch beim Ministerrat von Lücken im Gesetz, was Beleidigungen in digitalen Medien betrifft.

Denn der Versand belästigender, erniedrigender Botschaften an eine Person gilt nicht als strafrechtlich relevant. Maurer selbst hätte sich also nur zivilrechtlich zur Wehr setzen können, doch davor schreckte sie wegen des Risikos von Prozesskosten zurück, da dieser Weg ebenfalls Klage mit ungewissem Ausgang bedeutet hätte.

Der Justizminister verwies dazu auf die bestehende Taskforce der Koalition, die über derartige Tatbestände, darunter etwa auch Cybermobbing, berät. Moser erklärte, man müsse auch prüfen, welche Möglichkeiten es außerhalb des Strafrechts gebe, um sich gegen solche Vorkommnisse effektiv zu wehren.

Den Fall Maurer selbst wollte er nicht direkt kommentieren. Der Minister verwies nur darauf, dass es bei dem Prozess wegen der Privatanklage des Bierwirts um die Klärung der Tatsache gegangen sei, dass die beleidigenden Mitteilungen durch die Ex-Politikerin öffentlich gemacht worden seien.

Hiebfeste Gegenwehr

Im Zuge seines Urteils hielt Richter Apostol auch fest, dass Facebook, Twitter & Co als Medien gelten und Maurer wegen der journalistischen Sorgfaltspflicht beim Bierwirt eruieren hätte müssen, ob er der konkrete Absender der Obszönitäten war.

Doch ist für Accountinhaber damit ein publicityträchtiger Gegenschlag gegen Belästiger nun generell ein Hochrisikoakt? Laut Rechtsanwalt Michael Rami, seit April auch Verfassungsrichter, keineswegs, wenn man Folgendes berücksichtigt: "Sie sind berechtigt, wahre Tatsachen zu posten – im Fall des Falles muss man diese Tatsachen jedoch vor Gericht beweisen können. Daher empfiehlt es sich, beim Publikmachen nur auf den Absenderaccount zu verweisen sowie Screenshots und Ähnliches sofort zu sichern."

Denn als Medienbetreiber komme man "in die volle Härte des Medienstrafrechts". Heißt: Wer Falsches oder nicht hieb- und stichfest Beweisbares über andere verbreitet, ist laut Rami "juristisch fällig". (Nina Weißensteiner, 10.10.2018)