Seit vielen Jahren beschäftigt sich die Forschung im Salzbergwerk Hallstatt vorrangig mit der Fundstelle Christian-von-Tusch-Werk. An dieser Stelle befand sich in der Bronzezeit eine große Abbaukammer, die über Schächte mit weiteren, darüber und darunter liegenden Kammern verbunden war. Über diese Schächte gelangten die Bergleute in die Grube und hinaus, Material wurde hineintransportiert und das abgebaute Salz an die Oberfläche gefördert. Dies geschah mithilfe von Seilen, gedreht aus Lindenbast. Eines dieser Seile wurde vor Jahren im Bereich des nach oben führenden Förderschachtes gefunden. Es handelt sich dabei europaweit um das dickste bisher bekannte prähistorische Bastseil.

Förderseile im bronzezeitlichen Betrieb

Die genaue Benutzung des Seils ist noch nicht geklärt. Kamen – wie im prähistorischen Bergbau am Mitterberg – einfache Haspeln zum Einsatz, wurden die Seile über polierte Umlenkbalken geführt oder völlig andere Methoden benutzt? Um die Thematik der Seile einzubringen, ist auf dem Lebensbild der Bronzezeit eine Haspel dargestellt, sichere Nachweise für diese fehlen allerdings. Das gefundene Seil weist jedenfalls oberflächliche Abnutzungen auf, was auch der Grund gewesen sein könnte, dass es im Betriebsabfall liegen gelassen wurde.

Ein Ausschnitt des bonzezeitlichen Lebensbildes. Im rot markierten Bereich findet sich das faserige Material.
Foto: D. Groebner/ H. Reschreiter - NHM Wien
Die Arbeit im Betriebsabfall im Bereich unterhalb des Schachts.
Foto: D. Brandner - NHM Wien

Aufgrund der fehlenden Information über die genaue Verwendung der Seile ist auch nicht klar, wie hoch der Abrieb und Verschleiß eines solchen war und wie oft es ersetzt werden musste. Darum suchen wir fieberhaft nach Hinweisen auf diese Fragestellungen. Den beträchtlichen Material- und Zeitaufwand haben wir bei der experimentellen Herstellung einer Rekonstruktion dieses Fundes bereits getestet.

Fasern und schwarze Klumpen

Heuer könnte so ein Hinweis entdeckt worden sein. Einer unserer aktuellen Forschungsstollen führt quer durch den in der Abbaukammer zurückgelassenen Betriebsabfall und damit auch durch den Bereich unterhalb des Schachts. Im dort abgelagerten Betriebsabfall fielen oftmals eingelagerte schwarze Klumpen auf. Sie bestehen fast nur aus Holzkohleflittern, sind sehr dicht, im Bruch faserig und dürften als feste Klumpen auf dem Boden der Abbaukammer liegen geblieben sein. Wie entstanden sie, und könnten sie Teil des Abriebs sein, der bei der Benutzung des Seils anfiel? Um das zu klären, wurden zuerst einige der Klumpen fein aufgeschlämmt, ausgesiebt und die Fasern sortiert.

Aus dem bronzezeitlichen Betriebsabfall aussortierte Woll- und Bastfasern.
Foto: C. Fasching - NHM Wien
Die dichten Klumpen aus Holzkohleflittern enthalten viele Fasern.
Foto: D. Brandner - NHM Wien

Belastungstests

Nun musste Vergleichsmaterial her, um festzustellen, ob die feinen Pflanzenfasern vom Abrieb der Förderseile stammen können. Dazu wurde ein zehn Millimeter dickes Lindenbastseil hergestellt, ein trockener, glatter Buchenstamm aufgelegt und ein markierter Teil des Seils hundertfach über den Stamm gezogen. Zu unserem Erstaunen dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis das Seil durchgescheuert war. Um halb ein Uhr morgens, nach drei Stunden Belastung, riss das Seil schlussendlich, und die Mannschaft konnte schlafen gehen. Die entstandenen Fasern wurden vorher natürlich sorgfältig ausgesammelt. Auf den ersten Blick ähneln diese den ausgeschlämmten Fasern aus dem 3.000 Jahre alten Klumpen sehr. Zurück im Naturhistorischen Museum sollen sie nun unter dem Mikroskop genauer untersucht und verglichen werden.

Ermutigt durch diese ersten Versuche wurde diskutiert, ob der Abrieb durch Ölen oder Fetten des Seils hätte reduziert werden können. Der zweite Teil des Seils wurde dann mit einer Speckschwarte eingerieben und der Versuch wiederholt. Anfangs schien sich das Fett zu bewähren, nur noch wenige Fasern fielen vom Seil ab. Doch bald lösten sich große Baststreifen aus dem Seil. Offenbar wird es durch das Fetten so sehr geschwächt, dass die für den Zusammenhalt der einzelnen Baststreifen notwendige Reibung nicht mehr gegeben ist.

Drei Stunden dauerte der Abriebversuch, bis das Seil aus Lindenbast riss.
Foto: C. Fasching - NHM Wien
Viele feinste Pflanzenfasern lösen sich bei der Benutzung des Seils.
Foto: D. Brandner - NHM Wien
Die als Vergleichsmaterial gewonnenen Bastfasern können nun mit den prähistorischen verglichen werden.
Foto: D. Brandner - NHM Wien
Die Herstellung der Bastseile.
FriendofNHM

Fazit und noch mehr Fragen

Die Versuche bringen uns zu dem Ergebnis, dass das faserige Material wirklich durch den Abrieb der Förderseile im Schacht entstanden sein kann. Ungeklärt bleibt, wie das dichte, klumpige Material zustande kam. Eventuell sammelte sich der Abfall auf den Zwischenbühnen und am oberen Ende des Schachts, wurde festgetreten und dann beim Säubern durch den Schacht nach unten geworfen. Eine weitere Frage, die es zu klären gilt. (Hans Reschreiter, Fiona Poppenwimmer, Daniel Brandner, 11.10.2018)