London/Wien – Ein Cockpit in der Formel 1 – das ist für Frauen schon seit langem illusorisch. Seit 42 Jahren hat keine Pilotin mehr ein Rennen in der Königsklasse bestritten, über Tests und Trainingseinsätze kam zuletzt niemand hinaus. Das, finden der frühere Formel-1-Pilot David Coulthard und Red-Bull-Stardesigner Adrian Newey, muss sich ändern. Nicht kurzfristig, aber auf Sicht.

Mit einer eigenen Formel-Rennserie für Frauen soll der Umbruch im Motorsport eingeleitet werden. Für das kommende Frühjahr wurde am Mittwoch mit Coulthard und Newey als namhafte Zugpferde die Gründung der "W Series" bekannt gegeben. Langfristig, so die Hoffnung, sollen die Fahrerinnen dort Erfahrungen sammeln und sich für höhere Aufgaben empfehlen.

Auswahlverfahren und Einheits-Bolide

"Du musst kein Mann sein, um ein erfolgreicher Rennfahrer zu sein", sagte Coulthard: "Wir glauben fest daran, dass Frauen und Männer auf demselben Level wettbewerbsfähig sein können." Derzeit sei es jedoch so, dass Frauen auf ihrer Lernkurve auf dem GP3-Level eine Gläserne Decke erreichten. "Oft als Folge der fehlenden Förderung und nicht des fehlenden Talents", sagte Coulthard: "Deshalb ist eine eigene Frauenserie nötig."

Gefahren wird mit einem 1,8 Liter Tatuus F3.

Auf den "besten und berühmtesten Strecken Europas" sollen ab Mai zunächst sechs Rennen zu je 30 Minuten. In den Folgejahren sollen die Rennen auch in Amerika, Asien und Australien stattfinden. 18 bis 20 Starterinnen, die ein spezielles Auswahlverfahren durchlaufen haben, sollen unabhängig von etwaigen Sponsorgeldern die Chance auf ein Cockpit bekommen. Gefahren wird mit Einheitsboliden, nämlich dem Formel-3-Modell Tatuus F3 T-318. Als Preisgeld sind zunächst 1,5 Millionen Dollar festgesetzt. Coulthard und Newey agieren als Berater und Ausbildner der Pilotinnen.

Anschub notwendig

Coulthard glaubt, dass Frauen in der Formel 1 erfolgreich sein können. "Können sie so gut sein wie Lewis Hamilton? Ich weiß es nicht. Aber es gibt eine Menge männlicher Piloten in der Formel 1, die nicht so gut sind wie er. Wenn wir keine Plattform schaffen, die den Zugang beschleunigt, wird sich nichts ändern."

Geschäftsführerin Catherine Bond Muir ist überzeugt, dass in den Formel-Serien zu wenige Frauen vertreten sind. "Durch die W-Series wird ihre Anzahl im Jahr 2019 deutlich steigen. Damit können viel mehr Rennfahrerinnen ihr Potenzial zur Entfaltung bringen."

Fundament der neuen Serie sei der feste Glaube, "dass Frauen auf dem selben Level wie Männer Motorsport betreiben können", hieß es in einer Mitteilung. Ein reiner Frauenwettbewerb sei aber zunächst notwendig, um eine höhere weibliche Beteiligung zu "erzwingen". Langfristig sollen die Pilotinnen durch die gewonnenen Erfahrungen in existierende "Mainstream-Rennserien" aufsteigen können. Die W Series sei ein Karriere-Sprungbrett, sagte Newey, "und ja, letztlich dafür, um erfolgreich in der Formel 1 zu sein."

Claire Williams: "Rückschritt"

Die Meinungen dazu sind allerdings alles andere als einhellig. Spitzen-Pilotinnen wünschen sich eher mehr direkte Konkurrenz mit den Männern. Die Spanierin Carmen Jorda hatte am Jahresbeginn mit der Aussage für Verärgerung gesorgt, dass sich weibliche Pilotinnen aufgrund körperlicher Nachteile auf Top-Niveau nicht auf Augenhöhe mit Männern messen könnten.

Claire Williams, stellvertretende Chefin des F1-Traditionsteams Williams, bezeichnete eine eigene Frauenrennserie sogar als "Rückschritt". Indy-Pilotin Pippa Mann sprach von einem "traurigen Tag" für den Motorsport. "Die Unterstützer würden Frauen nun separieren, statt diese zu unterstützen. "Ich bin riesig enttäuscht, so einen historischen Rückschritt miterleben zu müssen", twitterte die Britin.

Letzter GP-Start vor 42 Jahren

1976 bestritt die Italienerin Lella Lombardi als bislang letzte Fahrerin einen Grand Prix. In den Folgejahren scheiterten diverse Versuche von Frauen, sich für Rennen zu qualifizieren. Seit dem Ausstieg von Susie Wolff, Ehefrau von Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff, als Testfahrerin von Williams zum Ende der Saison 2015 gehört keine Frau mehr zum erweiterten Fahrerfeld der Formel 1. Wolff war 2014 und 2015 in insgesamt drei freien Trainings zum Einsatz gekommen.

Dass Frauen im Motorsport konkurrenzfähig sind, hatte Ende September Motorrad-Pilotin Ana Carrasco bewiesen. Die 21-jährige Spanierin hatte als Frau in einer Straßen-Weltmeisterschaft (Supersport 300) den Titel geholt. "Oft meinen die Leute mit dem Spruch 'Fahre wie ein Mädchen' (Ride like a girl) etwas Schlechtes", sagte Carrasco: "Wir wollen zeigen, dass es eine gute Sache ist. 'Fahre wie ein Mädchen' heißt jetzt vielleicht 'Fahre wie ein Champion'." (sid, Reuters, APA, red – 10.10. 2018)