Wien – Seit einem Jahrzehnt fällt es besonders auf: Es summt und krabbelt weniger in Europa. Laut einer vielbeachteten Untersuchung eines Entomologenvereins im deutschen Krefeld im Vorjahr ist die Biomasse aller Insekten in einem Naturschutzgebiet seit 1989 um fast 80 Prozent zurückgegangen. Die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) will mit dem "Aktionsprogramm Insektenschutz" dem massiven Artensterben entgegenwirken. Insektenschutz soll demnach mit 100 Millionen Euro gefördert werden.

Allein 25 Millionen Euro sollen zusätzlich in Monitoring und Forschung fließen, fordert Schulze. Eine Hälfte des gesamten Budgets soll ab 2020 über ein gemeinsames Förderprogramm von Bund und Ländern verteilt werden. Die zweite Hälfte wolle der Bund alleine tragen. Am Mittwoch begann in Berlin die Debatte über Details.

Bis zum 7. November können die Deutschen die Vorschläge online kommentieren und weitere Anregungen liefern. Im Frühsommer 2019 soll das Kabinett das Programm dann beschließen.

Etwa 70 Prozent der in Deutschland lebenden Tierarten sind Insekten. Viele von ihnen gelten als bedroht.
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Glyphosat einsetzen, "wo es nicht anders geht"

Laut Schulzes Vorschlägen sollen in ökologisch besonders schutzbedürftigen Bereichen Pflanzenschutzmittel verboten werden. Allerdings dürfte etwa Glyphosat dennoch weiterhin in der Landwirtschaft eingesetzt werden, "wo und soweit dies absolut nicht anders geht".

Weiters sollen Ackerstreifen, die an wichtige Insektenlebensräume grenzen, nicht mehr gedüngt werden. Wissenschafter verorten vor allem in der intensiven Landwirtschaft mit Pestizideinsatz und ohne Strukturen in der Landschaft die Gründe für die Verluste bei unterschiedlichen Tier- und Pflanzenarten.

Schulze begründet den Schritt damit, dass durch das Insektensterben auch die Vogelwelt, Ökosysteme, Landwirtschaft und Wirtschaft in Gefahr sind. Auch auf EU-Ebene wolle sich das Ministerium dafür einsetzen, dass eine europaweite Naturschutzfinanzierung verbessert wird.

Ursachen des Artensterbens sind laut Experten unter anderem der Verlust von Lebensräumen, die intensive Landwirtschaft und Bodenversiegelung.
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Mehr Pflanzenschutzmittel eingesetzt

Erst im Juni kritisierte das deutsche Umweltbundesamt in einem Bericht zur Datensammlung "Umwelt und Landwirtschaft", dass die deutsche Landwirtschaft beim Einsatz von Pestiziden und der Zerstörung bestimmter Lebensräume Rückschritte mache. Problematisch seien vor allem die Konzentration auf wenige Fruchtarten, der hohe Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln auf dem Feld und von Arzneimitteln im Stall.

Die Behörde informierte, dass der Absatz von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland zwischen 1994 und 2015 von knapp 30.000 auf über 40.000 Tonnen gestiegen sei. Ein gutes Drittel davon sind Unkrautgifte, darunter auch Glyphosat. "Zahlreiche Studien belegen, dass das Insektensterben in Zusammenhang mit Pflanzenschutzmitteln steht. Selbst im Grundwasser werden regelmäßig Rückstände von Pflanzenschutzmitteln nachgewiesen", hieß es vom Umweltbundesamt.

Agrarpolitik stärker mit Umweltkriterien verknüpfen

Zugleich sinkt der Anteil der Flächen mit hohem sogenanntem Naturwert, etwa artenreiches Grünland, Brachflächen oder Streuobstwiesen. Er lag 2009 bei 13,1 Prozent, 2015 waren es nur noch 11,4 Prozent.

Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamts, fordert, die EU-Agrarpolitik stärker an Umweltkriterien auszurichten. Es sollten nicht mehr die größten Betriebe das meiste Geld bekommen, sondern diejenigen, die etwa durch gezieltes Düngen oder Schutzräume für Insekten die Natur schonen. (Julia Schilly, 10.10.2018)