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Weichtiere verfügen über verblüffend vielgestaltige Baupläne: Zu den Mollusken zählen die hochintelligenten Kraken ebenso, wie Muscheln, Schnecken und wurmähnliche Tiere.

Foto: AP/Roy L. Caldwell

Wien – Wie ein Lebewesen aussieht, aus welchen Körpersegmenten es besteht und über welche Organe es verfügt, wird von einer Reihe sehr alter Erbinformationen gesteuert. Dazu zählen vor allem die sogenannten Hox-Gene, eine Gruppe von regulativen Genen, die wiederum die Aktivität jener Gene steuert, die für die individuelle Entwicklung verantwortlich ist. Die Hauptaufgabe der Hox-Gene ist die Gliederung des Embryos entlang der Körperlängsachse. Sie kommen im gesamten Tierreich vor; mutieren sie, endet das in der Regel tödlich.

Auch Mollusken besitzen diese speziellen Erbinformationen, doch aktiv sind sie nur in bestimmten Organen – zumindest dachte man das bisher. Nun aber konnten Wiener Forscher nachweisen, dass Hox-Gene durchaus auch bei Weichtieren an der Ausprägung der Körperlängsachse beteiligt sind.

Abgelesen wie angeordnet

Hox-Gene werden normalerweise zeitlich in der Entwicklung der Tiere und auch räumlich von vorne nach hinten genau in jener Reihenfolge abgelesen, in der sie auf dem Erbgut angelegt sind, erklärt Andreas Wanninger vom Department für Integrative Zoologie der Universität Wien. Diesen Zusammenhang nennt man "kolineare Expression". Eine Ausnahme schienen jedoch die Mollusken (Weichtiere) zu sein: Bei ihnen fand man dieses präzise Muster bisher nicht.

Ein Team um Wanninger und seinen Mitarbeiter Tim Wollesen entdeckte nun aber bei Kahnfüßern (Scaphopoden), dass in einem sehr kurzen Zeitfenstern in Larvenstadien die kolineare Expression der Hox-Gene offenbar doch vorhanden zu sein scheint. "Kahnfüßer sind Weichtiere, die vom Flachwasser bis in mehrere tausend Meter Tiefe im Meeresboden vergraben leben", so Wollesen: "Sie besitzen eine Schale, die aussieht wie ein Elefantenstoßzahn, haben keinen ausgeprägten Kopf, aber eine deutlich erkennbare Fuß-Region mit Hunderten Tentakeln".

Ähnliches Bild bei Tintenfischen und Schnecken

Nach dieser Entdeckung habe man sich die Situation bei Tintenfischen, Schnecken und Muscheln noch einmal genauer angesehen, und auch dort eine gestaffelte Aktivierung der Hox-Gene gefunden. Diese Funktion ist also bei den Weichtieren nicht komplett verloren gegangen, schließen die Forscher aus ihren im Fachjournal "Proceedings of the Royal Society of London B" veröffentlichten Ergebnissen.

Stattdessen ist ihre ursprüngliche Aufgabe, die Körperlängsachse auszubilden, erhalten geblieben, die Hox-Gene wurden aber für zusätzliche Aufgaben wie die Bildung von Schalen und Larven-Merkmalen rekrutiert. Sie haben also bei Weichtieren neue Funktionen dazugewonnen. Dies ist vielleicht mitverantwortlich dafür, dass es bei diesen Tieren eine enorm große Vielfalt so unterschiedlicher Gruppen wie wurmartige Vertreter, Schnecken, Muscheln, Kahnfüßer und Tintenfische gibt, meinen die Zoologen. (red, APA, 10.10.2018)