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Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel besuchte im Vorfeld der Buchmesse in Frankfurt eine Klasse für geflüchtete Menschen. Sie erhalten dort Rechtsunterricht.

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Jetzt ist er doch dabei. Als Götz Kubitschek am Donnerstag in den Frankfurter Messehallen auftauchte, hatte er eine Überraschung dabei. Im Vorfeld hatte der Chef des umstrittenen Antaios-Verlags erklärt, nicht an der Buchmesse teilzunehmen. Er entging so dem Abseits, in welches die Messeleitung die Stände der Rechten verräumt hat.

Nun ist Kubitschek aber doch dabei. Sogar mittendrin. Am Mittwoch hat er den Verkauf von Antaios verkündet. Neuer Eigentümer ist der Zahnarzt Thomas Veigel. Der hatte mit der Buchbranche bisher nichts zu tun, aber im April den Loci-Verlag gegründet, um "gut integrierten Ausländern" eine Plattform zu geben.

Bücher, die das beweisen könnten, gibt es noch keine im Loci-Programm, nur vier Ankündigungen. Eine zum Band Homestory, in dem Kubitschek und seine Frau Ellen Kositza Einblicke in ihr Leben geben. Antaios soll als eigenständige Marke bei Loci erscheinen, Kositza das Programm leiten.

Auf verquere Weise ist Kubitschek so in der Mitte der Buchmessengesellschaft angekommen, denn Locis fehlendes Programm war den Veranstaltern im Vorfeld nicht aufgefallen. Der Stand befindet sich nun zwischen Ausstellern wie der linken Zeitung Taz und dem Hauptverband des Österreichischen Buchhandels. Kubitschek will künftig als politischer Berater wirken. Der jüngste Winkelzug ist jedenfalls aufgegangen.

Zahlen über Worte

Strategien sind auch anderswo gefragt. Die Pilotstudie "Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb" mischt mit konkreten Zahlen die Buchmesse auf. Dafür haben Forscher 2036 in deutschen Zeitungen, Radio- und Fernsehberichten erschienene Buchbesprechungen ins Visier genommen. Mit dem Ergebnis, dass zwei Drittel der Werke Autoren geschrieben hatten.

Frauen kaufen mehr Bücher als Männer, geben mehr Geld dafür aus und lesen diese Bücher zudem eher. Obwohl die Kundschaft also mehrheitlich weiblich ist, sind die sichtbarsten Akteure der Buchbranche aber zum Großteil männlich. So lässt sich die Schräglage benennen.

Nach Genres aufgefächert wird das Missverhältnis noch krasser. Stammen in der Belletristik 61 Prozent der behandelten Bücher von Männern, sind es bei Sachbüchern schon 70 Prozent. In den kleineren Bereichen Krimi, Fantasy und Comic klettert die Autorenquote gar auf bis zu 85 Prozent. Aber es werden nicht nur Werke von Autoren häufiger behandelt. Auch die Kritiker sind mehrheitlich männlich, und zwar zu 57 Prozent. Zudem hat im Durchschnitt nur jedes vierte Buch, das ein Mann bespricht, eine Autorin geschrieben. Kritikerinnen rezensieren ebenfalls mehr Autoren als Autorinnen, doch ist das Verhältnis hierbei ausgewogener.

Das Fazit? Hauptsächlich Kritiker besprechen Bücher von Männern und haben dafür zudem mehr Platz. Denn ihre Rezensionen sind um ein Viertel länger als die ihrer Kolleginnen. Männer sind im Betrieb sichtbarer.

Gewichtige Aufgaben

Gründe nennt die Studie nicht. Schreiben Männer bessere Bücher und besser über Bücher? Schreiben Männer mehr Bücher über wichtigere Themen? Zahl und Art der Neuerscheinungen im betreffenden Zeitraum wurden nicht erhoben. Ob tatsächlich mehr Bücher von Männern als von Frauen erschienen sind oder Autorinnen es schlicht schwerer haben, wahrgenommen zu werden, lässt sich nicht feststellen.

Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis stellte die Studie nur bei Jugendbüchern fest. Sie sind wenig prestigeträchtig – darin könnte ein Grund für das sonst schiefe Gleichgewicht liegen.

Veronika Schuchter spricht vom Literaturbetrieb als einem "gesellschaftlichen Mikrokosmos". Männer, sagt die Germanistin von der Uni Innsbruck, übernehmen generell lieber gewichtige Aufgaben. Kritiker behandeln folglich etwa nur selten Debüts von Autorinnen. Sind die dann einmal berühmt, ändere sich das.

Schuchter selbst hat die Literaturberichterstattung eines Jahres in zwölf Zeitungen analysiert. An Sexismus in den Redaktionen glaubt sie nicht, Benachteiligungen von Frauen passierten unbewusst. Denn nach wie vor werden Frauen als Leserinnen von männlichen Autoren sozialisiert. Männer aber lesen schon als Buben seltener Bücher von Frauen.

Den Kanon ändern

Ein Mittel zur Bewusstseinsbildung sind Preise. Dort herrscht ebenso Ungleichgewicht. Die Süddeutsche Zeitung wertete vor einigen Monaten 50 der wichtigsten deutschsprachigen Auszeichnungen aus. Zwei Drittel davon gingen in den letzten zehn Jahren an Männer. Bei weniger populären Preisen ist das Verhältnis noch schlechter.

Warum Preisen Bedeutung zukommt? Nicht nur wegen der Gelder. Sie beeinflussen auch die Zahl an Übersetzungen oder die Aufnahme in Leselisten an Schulen und Universitäten. Dies festigt oder verändert einen Kanon. Und das scheint nötig. (Michael Wurmitzer, 12.10.2018)