Schimpansen teilen ihre Lieblingsnahrung meist mit ihren Freunden.

Foto: Liran Samuni, Taï Chimpanzee Project

Leipzig – Anders als der Mensch teilen Tiere ihre Nahrung fast ausschließlich mit Verwandten und Fortpflanzungspartnern. Doch es gibt auch Ausnahmen: Unsere beiden nächsten lebenden Verwandten, die Schimpansen und Bonobos, lassen auch andere Gruppenmitglieder an ihren Leckerbissen teilhaben. Erkenntnisse, nach welchen Mustern erwachsene Schimpansen Futter miteinander teilen, helfen Forschern dabei, die Evolution der menschlichen Kooperation zu entschlüsseln. Nun hat ein internationales Forscherteam herausgefunden heraus, dass Schimpansen besonders beliebte Nahrungsmittel vor allem mit ihren Freunden teilen, und dass weder der Rang eines Tiers noch Bettelei ihres Gegenüber ihre Entscheidung beeinflussen.

Die Wissenschafter unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) in Leipzig beobachteten im Taï-Nationalpark an der Elfenbeinküste, mit wem freilebende Schimpansen ihr Futter teilen. Sie stellten dabei fest, dass die Tiere dabei sehr selektiv vorgehen und besonders beliebte Nahrung wie Fleisch, Honig oder große Früchte eher mit ihren Freunden teilen. Weder ein dominanter Rang eines Tiers noch Bettelei konnte ihre Entscheidung beeinflussen. Diese Ergebnisse ergänzen die Ergebnisse einer weiteren Studie des gleichen Teams, die letzten Monat veröffentlicht wurde und untersuchte, mit wem Schimpansen nach der Jagd Fleisch teilen.

Gegenleistung für Hilfe bei der Jagd

Die Forscher konnten nun in den "Proceedings of the Royal Society B" belegen, dass Schimpansen nach einer erfolgreichen Jagd andere beteiligte Jäger belohnten, indem sie die Beute mit ihnen teilten. "Unsere Untersuchungen zeigen: Schimpansen berücksichtigen bei ihrer Entscheidung, mit wem sie ihre Nahrung teilen, wer ihnen dafür am wahrscheinlichsten später eine Gefälligkeit erweisen würde", sagt Liran Samuni, Erstautorin beider Studien. "Oder – wie es nach Gruppenjagden der Fall ist – revanchieren sich die Tiere bei anderen Jägern für die Hilfe bei der gemeinsamen Jagd."

Früheren Studien zu einer anderen Schimpansen-Unterart zufolge teilten die Tiere dann häufig ihr Futter, wenn sie sich von bettelnden Artgenossen belästigt fühlten. "Das war bei den Taï-Schimpansen nicht der Fall, was die große Variationsbreite kooperativen Verhaltens zwischen verschiedenen Schimpansenpopulationen verdeutlicht", betont Catherine Crockford, leitende Autorin der Studien.

Auch menschliche Populationen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Kooperationsbereitschaft, und Forschung zu Menschen als auch zu Tieren erklärt, warum manche Populationen kooperativer sind als andere. "Eine Einheit mit anderen Artgenossen zu bilden, um nicht selbst Raubtieren zum Opfer zu fallen, oder die Fähigkeit, gemeinsam reiche Nahrungsquellen zu erschließen, sind zwei beispielhafte Szenarien, die kooperative Handlungen begünstigen", erklärt Roman Wittig, Koautor der Studien.

Oxytocin spielt Schlüsselrolle bei Kooperation

Darüber hinaus sammelten die Forschenden Urinproben von Schimpansen nach der Jagd und nachdem sie Futter miteinander geteilt hatten, um den Oxytocin-Spiegel der Tiere zu messen. "Wir wissen, dass das Hormon Oxytocin eine wichtige Rolle beim Stillen spielt, das beispielhaft für das Teilen von Nahrung zwischen Mutter und Kind steht", erklärt Samuni. "Im Allgemeinen trägt dieses Hormon auch zum Sozialverhalten und dem Aufbau und der Pflege sozialer Bindungen bei."

Die Forscher fanden hohe Oxytocin-Konzentrationen im Urin der Schimpansen, nachdem diese Fleisch und andere wertvolle Nahrungsmittel miteinander geteilt hatten oder nachdem Schimpansen an einer Gruppenjagd teilgenommen hatten. "Dass wir bei den Tieren sowohl nach der gemeinsamen Jagd als auch nach dem Teilen von Nahrung einen höheren Oxytocin-Spiegel nachweisen konnten, belegt die Schlüsselrolle des Hormons Oxytocin bei der Kooperation im Allgemeinen", betont der Wissenschafter.

Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass Taï-Schimpansen – wie Menschen auch – genau auswählen, mit wem sie etwas teilen, und dass sie dabei ihre Freunde und die Artgenossen, die ihnen beim Erwerb der Nahrung geholfen haben, bevorzugt behandeln. Die emotionale Verbindung, wie sie unter Freunden üblich ist, spielte wahrscheinlich auch für die Entwicklung der menschlichen Kooperation eine entscheidende Rolle, so die Wissenschafter. (red, 11.10.2018)