Wien – Marko Arnautovic sitzt im Kulturhaus von Bad Waltersdorf, das Gebäude existiert tatsächlich, es liegt fast an der Haupttrasse, eingebettet zwischen Thermen, Pensionen und Hotels. Nur Schwimmen, Saunieren und Brettljausenvernichten reicht Einheimischen und Gästen auf Dauer nicht, sie brauchen etwas für den Geist.

Das Fußballnationalteam bereitet sich in der Steiermark auf die anstehenden Länderspiele vor, am Freitag kommen die Nordiren ins Happel-Stadion, das Match ist Pflicht, zählt zur Nations League. Am Dienstag tritt Österreich freundschaftlich in Herning gegen Dänemark an. Der Mittwoch war ein nostalgischer Tag, Marc Janko wurde von Teamchef Franco Foda nachnominiert, er ersetzt den angeschlagenen Michael Gregoritsch. Der 35-jährige Stürmer ist eine Ikone des heimischen Kicks, hat in 66 Partien 28 Tore erzielt, weiß, wo der Kasten steht.

DER STANDARD

Debüt vor zehn Jahren

Am Sonntag gastierte er mit Lugano bei den Grasshoppers, dort wehrt Heinz Lindner die Bälle ab. Janko saß auf der Bank, hat nach dem 1:2 Lindner gebeten, "alle schön grüßen zu lassen". Lindner hat nun eine Aufgabe weniger zu erledigen, sagt: "Marc kann die Grüße selbst ausrichten." Am Nachmittag traf Janko in Bad Waltersorf ein, um 17 Uhr trainierte er mit. Ein Jahr lang hatte er nicht dem Aufgebot angehört.

Arnautovic war vor dem Wiedersehen aus dem Häuschen. "Es ist eine große Freude. Er ist eine Superpersönlichkeit, kann uns immer helfen." Arnautovic gönnt Janko "30 und mehr Tore", anderseits sei er felsenfest überzeugt, "dass ich ihn sowieso einhole". Der 29-Jährige ist enorm präsent, sowohl bei West Ham United als auch im Team, trotzdem versprüht er einen Hauch Nostalgie. Gegen Nordirland ist er schon zum 75. Mal im Einsatz. Arnautovic hält bei 19 Toren. Vor zehn Jahren hat er debütiert, am 11. Oktober 2008 wurde er beim 1:1 auf den Färöern von Karel Brückner eingewechselt. Brückner gab es wirklich.

Gefühlt süße Zwanzig

Alters- und Verschleißerscheinungen lehnt Arnautovic ab. "Ich fühle mich wie 20, bei mir spielt es keine Rolle, wie alt ich bin. Ich bin fit wie vor fünf, sechs, sieben Jahren, habe noch viel vor." Zum Beispiel will er Andreas Herzog als Rekord-Internationalen (103) ablösen. "Es tut mir wirklich leid für Herzog."

Arnautovic hat an Souveränität massiv zugelegt und beschlossen, über den Dingen zu stehen, Mücken nur Mücken sein zu lassen und Elefanten abzuschaffen. Vor einem Monat, nach dem 0:1 in Bosnien-Herzegowina, hat Edin Dzeko ein Foto von einem gemeinsamen Abendessen in Sarajewo gepostet, um drei Uhr früh hat er die gierigen sozialen Medien gefüttert. Die Aufregung war so groß wie belanglos, Arnautovic sagte im Bad Waltersdorfer Kulturhaus: "Das Foto wurde viel früher aufgenommen, es wurde zelebriert, als hätte ich um drei Uhr bummzu mit Dzeko Party gemacht. Ich war freigestellt, niemand hat das Recht, über mein Privatleben zu reden. Ich verlange Respekt, und ich gebe Respekt. Ich habe noch nie jemanden kritisiert. Die Leute sollen auf sich selbst schauen. Das Treffen mit Dzeko war schon länger ausgemacht, er ist ein Freund von mir."

Muss nicht Kapitän sein: Marko Arnautovic.
Foto: apa/jäger

Angeschlagen aber voll dabei

Die Partie gegen Nordirland steht auch schon länger fest, Arnautovic ist sich der Tatsache bewusst, "dass es kein Drübergang wird. Die spielen körperbetont, sind zweikampfstark. Wir müssen den Ball laufen lassen." Liverpools Trainer Jürgen Klopp hat kundgetan, "dass die Nations League der sinnloseste Bewerb ist, der im Fußball je erfunden wurde". Arnautovic widerspricht: "Er muss ja nicht spielen, ich schon." Und zwar mit leichten Knieschmerzen, das linke Gelenk ist am Knochen entzündet, einige Trainingseinheiten bestreitet er im Schongang. Das Virus, das an der Stirn erkennbar ist (Art Wimmerln), ist im Abflauen und wurscht. "Ich bin bereit, halte es ohne Fußball nicht aus." Es gehe nur um den Freitag, ab 20.45 Uhr. "Ich will immer ein Tor machen, zerreiße mich."

Ob er wieder Kapitän ist, entscheidet Foda, David Alaba fehlt verletzt, Sebastian Prödl wäre eine Alternative. Arnautovic: "Die Schleife ist nicht zu groß für mich. Sie ist eine Ehre, ändert aber nichts an meiner Einstellung." Möglicherweise wird er seine Karriere ohne Titel (bei Inter war er nur Reservist) beenden. Twente, Bremen, Stoke City und nun West Ham sind zwar respektable Adressen, aber es gibt tollere: "Fußball ist auch Glück. Man muss zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein. Überall wo ich bin, schätzen mich die Leute." Auf dem Fußballplatz wie im Kulturhaus. (Christian Hackl, 10.10. 2018)