Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ), ÖVP-Chef Alois Mock und FPÖ-Obmann Jörg Haider nach der Wahl am 23. November 1986. Die FPÖ konnte ihren Stimmenanteil damals fast verdoppeln.

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Das Jahr 1986 markiert einen doppelten Wendepunkt der österreichischen Innenpolitik: Die Waldheim-Debatte wurde nach zahlreichen Konflikten letztlich zum Auslöser eines Umdenkens über Österreichs NS-Vergangenheit – Eingeständnisse einer Mitverantwortung an den NS-Verbrechen folgten.

Die Wahl Jörg Haiders zum Obmann der FPÖ, betrieben und durchgesetzt vom rechten/rechtsextremen Flügel der Partei rund um die beziehungsweise gemeinsam mit den Burschenschaften, läutete einen politischen Rechtstrend ein, dessen Ausmaß sich Beobachter damals noch gar nicht vorstellen konnten. Der Putsch zugunsten Haiders sowie die sofort folgenden Aufrufe des gesamten rechtsextremen, ja selbst neonazistischen Lagers, Haiders Flügel bei den durch die Kündigung der SPÖ-FPÖ-Koalition durch Kanzler Franz Vranitzky notwendig gewordenen Nationalratswahlen zu stärken und weiters die bereits teilweise bekannten ideologischen Positionen des neuen Obmanns, lösten im In- wie im Ausland besorgte Kommentare und Kritik aus. Nicht zuletzt aus diesem Grund erfolgte der Ausschluss der FPÖ aus der Liberalen Internationale, der sie bis dahin angehört hatte.

Doch die Stimmen der österreichischen Rechtsextremen konnten nicht ausreichen, den nun folgenden raschen Aufstieg der FPÖ zu einer bald den innenpolitischen Diskurs dominierenden Kraft zu erklären.

Agitation gegen Migranten

Haider kam vor allem die internationale Entwicklung zu Hilfe. Die mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Ostöffnung verbundenen Veränderungen, vor allem die nun zahlreich einreisenden Bürger der ehemaligen Oststaaten, riefen bei vielen Menschen auch medial geschürte Verunsicherung hervor.

Hatte schon Anfang der 1980er-Jahre ein kurzfristiger Anstieg der Arbeitslosigkeit zu einem gleichzeitigen Anstieg an Fremdenfeindlichkeit gegenüber den Arbeitsmigranten geführt, gewann diese Ablehnung nun neuen Antrieb. Doch die gegen Migranten gerichtete Agitation blieb ab sofort eines der zentralen Themen der Freiheitlichen. Diese verwies unter anderem auf angeblich unüberwindliche kulturelle Differenzen zwischen den Österreichern und den Migranten, heute verkürzt auf den angeblichen Gegensatz der Österreicher zu "dem" Islam, und fokussierte auf angeblich aus der Zuwanderung resultierende wirtschaftliche Schwierigkeiten. Auf Plakaten wurden die Arbeitslosen gegen "Ausländer" aufgerechnet.

"Kulturelle Hegemonie"

Stellt man diese politische Agitation der realen damaligen Arbeitsmarktsituation gegenüber, ergibt sich das paradoxe Bild gesteigerter ausländerfeindlicher Propaganda bei gleichzeitig sinkender beziehungsweise geringer Arbeitslosigkeit – ein Grundmuster, das heute im Kontext als notwendig behaupteter Maßnahmen gegen den Sozialstaat vorgeblich ausnützende Asylwerber wieder zu beobachten ist. Heute wie damals benutzt die FPÖ herbeigeredete angebliche Tatsachen, meist zum Bereich der "Fake-News" zu rechnen, zur Steigerung der Verunsicherung der Bevölkerung, um diese "Ängste, die ernst zu nehmen sind", dann erfolgreich ohne reale Bedrohungssituation für sich ausbeuten zu können.

1995 ergab sich für Haider mit der Volksabstimmung über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union eine neue Bühne für Verunsicherungspropaganda, die EU-kritische Haltung hat die FPÖ bis heute beibehalten.

Sozialdemagogie ergänzte den neuen Kurs der FPÖ – die Partei und vor allem Haider selbst präsentierten sich als Verteidiger der "Fleißigen" und "Tüchtigen", die ungerechtfertigt wirtschaftliche Nachteile zu erdulden hätten. Gleichzeitig verfolgte die FPÖ damals wie heute ein wirtschaftsliberales bis neoliberales und damit unternehmerfreundliches Programm.

Bereits in seinem 1993 erschienenen Buch "Die Freiheit, die ich meine" proklamierte Haider – in Übernahme eines Begriffs des italienischen Kommunisten Antonio Gramsci – sein Ziel der Eroberung der "kulturellen Hegemonie" im Land. Ein Ziel, das die FPÖ zu einem guten Teil erreicht hat, und zwar unter tatkräftiger Mithilfe politischer Mitbewerber, die dem wachsenden Druck der Freiheitlichen und deren Wählerschaft zu Themen wie Fremdengesetzgebung oder Sicherheitsfragen nachgaben, zuallererst damals sozialdemokratische Innenminister.

Mehrheitsfähige Ablehnung

Anstatt Wählerstimmen zurückzugewinnen, spielten sie der FPÖ damit in die Hände. Deren Forderungen gewannen an Bedeutung, was wiederum einen neuen Zirkel von freiheitlicher Agitation – Reaktion der Regierung – Zustimmung für die FPÖ in der Bevölkerung auslöste.

Niemand, auch nicht die größten Pessimisten unter den politischen Beobachtern hätten damals jedoch gedacht, dass damit der Weg zu mehrheitsfähiger Ablehnung, ja Hass gegen alle Zuwanderer und Forderungen nach immer stärkerer Sicherheitspolitik beschritten wurde, wie wir dies heute erleben.

Agitierte Haider noch gegen Arbeitsmigranten vor allem aus Ost- und Südosteuropa, verlagerte sich der Schwerpunkt – wiederum unter Ausnützung internationaler Entwicklungen – gegen "den" Islam und Moslems.

Außerhalb Kärntens begann Haiders Stern und jener der FPÖ mit der Regierungsbeteiligung 2000 für Erste zu sinken. Eine radikal oppositionelle Partei konnte die an sie gerichteten überzogenen Forderungen in einer Bundesregierung nicht erfüllen, ihre Regierungsmannschaft erwies sich als unfähig und – wie wir heute wissen – zum Teil korrupt. Das historische Urteil über die gegenwärtige Koalition bleibt abzuwarten. Vorläufig scheint Symbolpolitik ihre Wirkung zu tun. (Brigitte Bailer, 10.10.2018)