Eine Bruskrebszelle unter dem Mikroskop. Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Behandlung mit sogenannten PARP-Inhibitoren im Vergleich zur Chemo wirksamer sind und mehr Lebensqualität bieten.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Erblicher Brustkrebs wird durch eine Mutation der Breast-Cancer-Antigene (BRCA) 1 und 2 ausgelöst. Er gilt als besonders aggressiv. Frauen, bei denen ein solcher Tumor bereits gestreut hat, sind meist jünger als andere Brustkrebspatientinnen. Für diese Gruppe gibt es nun erstmals eine Chemotherapie-freie Alternative, die selektiv auf Tumorzellen abzielt. Es handelt sich dabei um eine Therapie mit Poly-ADP-Ribose-Polymerasen-(PARP-)Inhibitoren. Deren erster Vertreter Olaparib, der unter dem Handelsname Lynparza verkauft wird, ist in den USA bereits für die Brustkrebstherapie zugelassen. In Europa wird der Zulassungsantrag geprüft, eine Entscheidung soll Anfang 2019 erfolgen.

"Die PARP-Inhibitor-Therapie ist einer der ganz entscheidenden Fortschritte in der Onkologie der letzten Jahre – und nach entsprechenden Erfolgen in Studien auch zum Einsatz beim Eierstockkrebs zugelassen. Jetzt zeigt sich auch bei Brustkrebs: Die bisherigen Studienergebnisse sind sensationell", sagt Christian Marth, Leiter der Universitätsklinik für Frauenheilkunde in Innsbruck. Der erfahrene Gynäkologe hat PARP-Inhibitoren bereits bei Brustkrebspatientinnen eingesetzt, die jüngste ist 28 Jahre alt.

Erster PARP-Inhibitor bei Brustkrebs

Die für die Zulassung entscheidende Studie prüfte Olaparib bei 302 Frauen mit metastasiertem Brustkrebs, die eine vererbte BRCA-1/2-Mutation haben und deren Tumore den Human Epidermal Growth Factor Receptor 2 (HER2) nicht gehäuft an ihrer Oberfläche tragen (HER2-negativ). Um die Wirksamkeit mit der Standardtherapie zu vergleichen, erhielt ein zufällig ausgewählter Teil der Probandinnen eine Chemotherapie.

Das Risiko für ein Fortschreiten der Erkrankung wurde in der Olaparib-Gruppe um 42 Prozent verringert. Die Zeit, in der die Erkrankung nicht weiter fortschritt, war mit Olaparib signifikant länger als mit einer Chemotherapie. "Die Daten sind sehr vielversprechend. Im Vergleich zur Chemotherapie sehen wir fast eine Verdoppelung der Zeit, in der die Krankheit nicht fortschreitet", erklärt Daniel Egle, Oberarzt an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde in Innsbruck.

Marth ergänzt: "Ein wichtiger Marker für den langfristigen Erfolg einer Therapie zeigt bei dieser Studie, dass die mit Olaparib gewonnenen Monate auch dann nicht verlorengehen, wenn Patientinnen später eine weitere Therapie erhalten haben. Das ist sehr erfreulich." Beeindruckend ist für den Experten auch, wenn er in der Zeit von einer bis zur nächsten Kontrolle sieht, wie rasch die Metastasen unter der PARP-Inhibitor-Therapie kleiner werden.

Wirkung auch im Gehirn

Ähnlich erfolgversprechende Ergebnisse lieferte auch der PARP-Inhibitor Talazoparib in der sogenannten Embraca-Studie mit 431 Patientinnen. Das Risiko für ein Fortschreiten der Erkrankung verringerte sich im Vergleich zur Chemotherapie um 46 Prozent. Bei Frauen mit Gehirnmetastasen war dieser Effekt mit 68 Prozent noch ausgeprägter.

An der Innsbrucker Klinik werden sowohl Olaparib als auch Talazoparib bereits eingesetzt. Bezüglich der Wirksamkeit hat Marth bislang keine Unterschiede zwischen den beiden Wirkstoffen gesehen. "Studien aus dem Labor sprechen für eine bessere Wirksamkeit von Talazoparib. Aber ob sich dieser Effekt auch bei erkrankten Patientinnen zeigt, ist offen", betont der Experte.

Weniger Nebenwirkungen

Neben ihrer guten Wirkung haben PARP-Inhibitoren auch Nebenwirkungen. "Im Vergleich zur Chemotherapie sind es aber deutlich weniger", erklärt Egle. Übelkeit, Erbrechen, allgemeine Schwäche und Veränderungen der Blutwerte nennt er als wichtigste Nebenwirkungen der PARP-Inhibitoren. Im Vergleich dazu können bestimmte Chemotherapien zur Schädigung der Nerven an Händen und Füßen führen, zu Haarausfall oder schmerzhaften Rötungen und Schwellungen an Handflächen und Fußsohlen (Hand-Fuß-Syndrom, Anm.), so Egle. Für Marth ist die Lebensqualität ein wichtiger Parameter: "Fragt man danach, dann werden die PARP-Inhibitoren einfach besser beurteilt."

Eine Analyse aller Patientinnen aus der Embraca- und Olympiad-Studie verglich die Nebenwirkungen von Olaparib und Talazoparib mit jenen der eingesetzten Chemotherapie. Das Ergebnis: PARP-Inhibitoren erhöhen das Risiko für Blutarmut und Kopfschmerz im Vergleich zur Chemotherapie. Umgekehrt führt die Chemotherapie eher zum Hand-Fuß-Syndrom und zur Abnahme weißer Blutzellen, die zur Infektabwehr dienen.

Auch andere Frauen könnten profitieren

Die US-Zulassung erlaubt nur die Behandlung von erblichem BRCA-assoziiertem Brustkrebs. Eine BRCA-Mutation betrifft bei einigen Frauen aber nur das Tumorgewebe, was nicht vererbbar ist. Marth geht davon aus, dass die davon betroffenen Frauen genauso einen Vorteil von der PARP-Inhibition haben. "Da sie allerdings in den Studien nicht untersucht wurden, fürchte ich, dass es die europäische Zulassungsbehörde genauso machen wird wie die US-amerikanische und wir den Wirkstoff bei ausschließlicher Tumormutation nicht einsetzen können."

Weiters zeigte die gemeinsame Analyse beider Studien, dass nur bei jenen Tumoren der Krankheitsfortschritt verglichen mit einer Chemotherapie statistisch signifikant verzögert wurde, die weder HER2 noch Hormonrezeptoren (HR-negativ) gehäuft an der Zelloberfläche tragen. Daher erhält die andere Gruppe, also jene mit HR-positiven Tumoren, gemäß der US-Zulassung zuerst eine Antihormontherapie.

Krebs an seiner Achillesferse angreifen

Enzyme aus der PARP-Gruppe spielen eine wichtige Rolle bei der Reparatur der in allen Zellen ständig auftretenden Erbgutschäden, sogenannter DNA-Brüche. Ein PARP-Inhibitor hemmt diesen Reparaturprozess, was in einer normalen Zelle ohne Folgen bleibt. Denn in diesem Fall kommt ein anderer DNA-Reparaturmechanismus zum Zug, nämlich die homologe Rekombination, unter Einbezug der BRCA-1- und -2-Genprodukte.

In Krebszellen ist die homologe Rekombination aber oft durch Mutationen, beispielsweise von BRCA 1/2, gestört – eine Art Achillesferse von Tumorzellen, denn diese sind somit empfindlicher. PARP-Inhibitoren führen bei BRCA-1/2-mutierten Zellen zu einem selektiven Absterben, der sogenannten synthetische Letalität, da die DNA nicht mehr repariert wird. (Anna Egger, 15.10.2018)