Luxemburg/Berlin – Österreich legte vor, Deutschland zieht nach: Erst verlängerte die Regierung in Wien die Kontrollen an den Grenzen zu Ungarn und Slowenien, jetzt wird auch an der deutschen Grenze zu Österreich weiter kontrolliert: Deutschland verlängert seine Kontrollen an der Grenze zu Österreich für ein weiteres halbes Jahr.

"Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Binnengrenzkontrollen sind derzeit noch nicht gegeben", sagte Innenminister Horst Seehofer (CSU) am Freitag. Die Entscheidung wird damit begründet, dass immer noch viele Migranten von einem EU-Land ins nächste weiterzögen und der EU-Außengrenzschutz unzureichend sei. Durch die Verlängerung laufen die Kontrollen an der Grenze zwischen Bayern und Österreich nun bis zum 11. Mai 2019. Ein Staatssekretär des deutschen Innenministeriums informierte die anderen europäischen Länder am Freitag während eines Treffens der EU-Innenminister in Luxemburg über Seehofers Entscheidung. Der Minister selbst nahm nicht an dem Treffen teil.

Seit Herbst 2015

Deutschland kontrolliert seine Grenze zu Österreich seit Herbst 2015, nachdem sich zehntausende Flüchtlinge und andere Migranten von Griechenland über die Balkanroute auf den Weg nach Westeuropa gemacht haben. Eigentlich gibt es im Schengenraum, dem 26 europäische Länder angehören, keine stationären Personenkontrollen an den Grenzen. Neben Deutschland kontrollieren derzeit fünf weitere europäische Länder zumindest Teile ihrer Schengengrenzen: Österreich, Frankreich, Schweden, Dänemark sowie das Nicht-EU-Land Norwegen. Sie begründen das mit Sicherheitsproblemen, die aus der Flüchtlingskrise resultierten. Die Frist für derlei Kontrollen beträgt sechs Monate, kann aber verlängert werden. Dies muss allerdings in jedem Fall neu bei der EU-Kommission begründet werden.

Ziel sei weiterhin eine Rückkehr zum Schengenraum ohne Grenzkontrollen, sagte Seehofer: "Grenzkontrollfreies Reisen zählt zu den größten Errungenschaften der Europäischen Union überhaupt." Als Innenminister habe er jedoch die Pflicht, "alles in meiner Macht Stehende zu tun, um verantwortungsvoll und angemessen auf die Herausforderungen im Bereich der Migration und Sicherheit zu reagieren". Die Grenzkontrollen sollten an die Lage angepasst und mit Rücksicht auf den Grenzverkehr erfolgen.

Kritik von Kommission

Deutschland und andere Länder haben für ihre Haltung Gegenwind aus der EU bekommen. "Die Bürger Europas müssen weiterhin das Gefühl haben, frei herumreisen zu können", sagte Innenkommissar Dimitris Avramopoulos am Freitag. "Ich kann mir ein Europa mit geschlossenen Binnengrenzen nicht vorstellen."

Die EU-Innenminister diskutieren derzeit in Luxemburg über Migrationspolitik. Herbert Kickl (FPÖ) betonte am Freitag, dass die Minister einerseits über die Stärkung der EU-Grenzschutzagentur Frontex und andererseits über eine Strategie zur Rückführung abgelehnter Asylwerber diskutieren wollen. Außerdem soll eine stärkere Abschottung der EU-Außengrenzen konkret geplant werden. Es gehe jetzt darum, über Kontingente, Zeitplan und Kompetenzen zu diskutieren.

Kickl weist Sloweniens Kritik zurück

Es sei aber durchaus ein berechtigtes Anliegen der EU-Staaten, darauf hinzuweisen, wie weit die Kompetenzen von Frontex überhaupt gehen sollen. Österreich sei "selbstverständlich für jede Form der Unterstützung, dennoch muss die Verantwortung im Bereich der Hoheitsrechte des jeweiligen Landes liegen", so Kickl.

Die Kritik Sloweniens an der Verlängerung der Grenzkontrollen durch Österreich könne er "natürlich nicht nachvollziehen", betonte Kickl vor Beginn des Innenrats.

Luxemburg will Dublin reformieren

Kritik an der Diskussion über die Migrationspolitik äußerte der luxemburgische Minister für Einwanderung und Asyl, Jean Asselborn. 2015 habe die Freiwilligkeit schon nicht funktioniert, daher glaube er, "ohne eine Reform von Dublin werden wir keine europäische Migrationspolitik hinbekommen können".

Man müsse davon wegkommen, dass die ganzen Lasten bei den Ländern an den Außengrenzen liegen. Der Vorschlag der Kommission sei zu helfen, wenn ein gewisses Niveau überschritten werde. Die Diskussion über 10.000 Grenzkontrolleure sei "schön und gut. Das kostet 11,3 Milliarden Euro, und das wird auch noch hinzukriegen sein." Es enttäusche ihn aber sehr, dass "die Länder, die Kontrolleure bräuchten, wie Italien oder Ungarn, dann sagen, sie hätten ein Problem mit der Souveränität dabei".

Außerdem seien dieses Jahr wieder 1.700 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Man dürfe also nicht sagen, "wie es die österreichische Präsidentschaft immer wieder tut, maritime Migration gibt es nicht mehr", betonte Asselborn. Das sei falsch, denn auch heuer hätten wieder "80.000 Menschen an unsere Tür geklopft".

Schweiz: Mehr freiwillige statt zwangsweiser Rückführung

Die Schweizer Justizministerin Simonetta Sommaruga, die ebenfalls an dem Innenrat teilnimmt, da das Nicht-EU-Mitglied Schweiz dem Schengenraum angehört, äußerte Skepsis gegenüber einem Ausbau von Frontex. "Ein solcher Ausbau kann das, was jeder Staat in der Asylpolitik selber machen muss, nicht ersetzen." Für eine europäische Asylpolitik brauche es mehr Solidarität zwischen den Staaten, und das komme in den Vorschlägen der Kommission eindeutig zu kurz.

Die Schweiz habe "in den vergangenen 20 Jahren die Erfahrung gemacht, dass die freiwillige Rückkehr günstiger ist, funktioniert und vor allem auch menschlicher ist". Selbstverständlich brauche es eine zwangsweise Rückführung, doch wenn die Staaten ihre Aufgabe vorher nicht erfüllen, könne dies nicht funktionieren. Man habe auch gesehen, dass mit der österreichischen Präsidentschaft der Fokus auf den Außengrenzschutz gelegt werde. Das sei "per se nichts Negatives, das unterstützen wir auch", dennoch seien die Vorschläge sehr einseitig, und die Solidarität zwischen den Staaten komme zu kurz. Solange es keine gemeinsame europäische Asylpolitik gebe, werde das gesamte System nicht funktionieren. (red, APA, 12.10.2018)