In Bulgarien nahmen Hunderte Menschen an der Trauerfeier in der Kathedrale Sweta Troiza Abschied von der jungen Frau.

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Celle/Sofia – Der in Deutschland gefasste Verdächtige im Fall der ermordeten bulgarischen Journalistin Viktoria Marinowa sitzt nach Angaben der deutschen Justiz in Auslieferungshaft. Der 20-jährige Sewerin K. habe keine Einwände gegen ein beschleunigtes Verfahren erhoben und werde daher "in Kürze" nach Bulgarien überstellt, erklärten die zuständigen Justizbehörden im niedersächsischen Celle am Freitag.

Marinowa war am vergangenen Wochenende in einem Park in der bulgarischen Stadt Russe beim Joggen in einem Park vergewaltigt und ermordet worden. Die bulgarischen Ermittler identifizierten K. als Verdächtigen und baten die deutschen Behörden um Amtshilfe, weil er sich in Stade bei Hamburg bei Angehörigen aufhielt. Dort wurde er gefasst.

Geständnis

Wie das zuständige Oberlandesgericht und die Generalstaatsanwaltschaft mitteilten, gestand der Mann gegenüber der deutschen Justiz, Marinowa am Samstag "nach einem verbalen Streit" unter Drogen- und Alkoholeinfluss geschlagen und in einen Busch geworfen zu haben. Eine Tötungsabsicht bestritt er ebenso wie eine Vergewaltigung. "Ein politischer Hintergrund kann vor dem Hintergrund dieser Einlassungen nicht angenommen werden", erklärte die niedersächsische Generalstaatsanwaltschaft weiter.

Die bulgarischen Behörden hatten unter Verweis auf die bisherigen Ermittlungsergebnisse bereits aus Anlass der Festnahme von K. betont, sie gingen nicht von einem Zusammenhang zwischen der Tat und Marinowas journalistischer Arbeit aus. Der Verdächtige lebte demnach in deren Nachbarschaft und wurde bereits wegen Mordes und Vergewaltigung in einem anderen Fall gesucht. Es sei von einem spontanen Angriff aus sexuellen Motiven auszugehen, erklärten sie.

DNA-Spuren

Die Täterschaft des 20-Jährigen wird demnach unter anderem durch DNA-Spuren belegt. Die bulgarische Justizbehörden beantragten einen europäischen Haftbefehl und gaben den deutschen Ermittlern Hinweise auf dessen Aufenthaltsort. Daraufhin wurde dieser am Dienstagabend in Stade durch Zielfahnder und Spezialkräfte der niedersächsischen Polizei bei Verwandten aufgespürt und gefasst.

Marinowa arbeitete als Moderatorin für den privaten Lokalsender TVN, der wenige Tage vor ihrer Ermordung Interviews zwischen ihr und zwei investigativen Journalisten ausstrahlte. Die Reporter berichteten über ihre Recherchen zur mutmaßlichen Veruntreuung von EU-Geldern in Bulgarien durch Geschäftsleute und Politiker. In Marinowas Heimatstadt Russe nahmen Hunderte Menschen an der Trauerfeier in der Kathedrale Sweta Troiza Abschied von der jungen Frau.

Der Mord hatte international große Empörung ausgelöst, in ersten Reaktionen reagierten ausländische Medien und Politiker besorgt wegen einer möglichen Verbindung zur journalistischen Arbeit des Opfers. Die bulgarische Regierung kritisierte dies als verfrüht. Bulgarien steht im weltweiten Ranking zur Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen aktuell auf Platz 111 und hat damit die schlechteste Bewertung aller EU-Staaten. (APA, 12.10.2018)