Parfum und Atmosphäre: Lorenzo Viotti am Pult.

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Die lockigen Haare und der Bart sind kürzer geworden, der romantische Surfer-Look ist einem geschäftsmäßigeren Erscheinungsbild gewichen. Gleichzeitig ist Lorenzo Viotti in dieser Saison mit allen Verantwortlichkeiten in der Klassikbranche angekommen: Der 28-Jährige hat seinen ersten Posten als Chefdirigent angetreten, beim Gulbenkian-Orchester in Lissabon.

Bei Viottis Konzert mit dem ORF-RSO Wien zeigte sich: Der sportliche Orchesterleiter, einst Student in Wien, mag es gern kraftvoll. Das Kartenspiel des Magiers Tchélio und der Hexe Fata Morgana (Suite aus Prokofjews Die Liebe zu den drei Orangen) wuchs sich zum Boxkampf der Titanen aus, der Marche fand wirklich auf einem Exerzierplatz statt. Das impressionistische Le Prince et la Princesse gab Viotti Gelegenheit, Atmosphäre zu kreieren.

Parfum und Atmosphäre, davon gibt es auch in Poulencs Konzert für zwei Klaviere und Orchester reichlich. Die Buniatishvili-Schwestern interpretierten das Werk souverän, wobei sich Khatia in ihren expressionistischen Fähigkeiten zugunsten ihrer Schwester Gvantsa beschnitt. Als Zugabe wurde Tango getanzt.

Mit seinem gefälligen Kolorit leitete der Poulenc ideal zu Korngolds Sinfonietta op. 5 über. Viotti hatte den spätromantischen Klangzauber in einem festen Griff, das Scherzo hatte einen Stiernacken. Selbst im träumerischen dritten Satz begriff sich der energische Dirigent kaum als Anwalt der leisen Töne, im Finale schwärmten die Geigen des exzellenten RSO Wien mit Melodien aus Stahl. Viotti betonte im Fortissimo die vertikale Komponente, mitunter misste man das Aufgeben der Bodenhaftung: Es war wie Brandung ohne Gischt. Begeisterung im Musikverein. (sten, 12.10.2018)