Bei Regen verschlimmert sich die Situation auf dem Feld nahe von Bihac, wo Migranten campen.

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Die Tage haben immer den gleichen Rhythmus. In Kulen Vakuf kann man sich darauf verlassen, dass sich die Enten in der Una abkühlen, dass der Muezzin ruft und dass der Bus jeden Tag am Nachmittag und Abend nicht nur die Arbeiter aus Bihac bringt, sondern auch die Migranten, die versuchen von dem bosnischen Dorf durch die Wälder über die Grenze nach Kroatien zu kommen.

Die jungen Männer mit den bunten Rucksäcken gehen meist in Gruppen von vier, fünf Leuten über die Brücke. Der gemütliche bosnische Polizist lehnt derweilen in aller Ruhe am Geländer. Viele kommen am Abend wieder zurück, wenn die kroatische Polizei sie im Wald aufgegriffen hat. Dann nehmen sie wieder den Bus zurück nach Bihac. Ein, zwei Tage später versuchen sie es wieder.

Viele sagen, die Migranten seien ihnen lieber als die arabischen Touristen, weil Letztere angeblich kein Benehmen an den Tag legen würden. Angeblich wollen einige Touristen nicht mehr kommen, um nicht mit den Migranten verwechselt zu werden. Es gibt aber auch Bosnier, die sich über die Flüchtlinge beschweren, weil Ladendiebstähle zugenommen hätten. Etwa 4500 Migranten befinden sich im Kanton Una-Sana, die meisten in den Städten Velika Kladusa und Bihac.

Zwei Jahre in Griechenland

Der größte Anteil von ihnen sind Pakistaner, die kaum eine Chance haben, in Europa Asyl zu bekommen. Viele von ihnen waren vor zwei, drei Jahren in Griechenland, und sie versuchen nun, in Frankreich oder in Großbritannien unterzutauchen. In Serbien lebten vor zwei, drei Jahren ebenfalls tausende Pakistaner, nachdem die Balkanroute geschlossen worden war. Weil die Behörden beweisen konnten, dass diese Migranten zuvor aus Bulgarien gekommen waren, wurden viele von dort nach Pakistan geflogen.

Etwas Ähnliches ist im Fall von Bosnien-Herzegowina kaum möglich. Der Staat hat keine Rückübernahmeabkommen. Bisher konnte die Internationale Organisation für Migration nur 24 Migranten helfen, in ihre Herkunftsländer zurückzukehren. Insgesamt kamen heuer etwa 11.000 Migranten nach Bosnien, die meisten sind nicht mehr im Land. Bisher gab es nur 709 Asylansuchen in Bosnien-Herzegowina. Offiziell dürfen die Migranten ansonsten nur 14 Tage im Land bleiben, aber viele sind nun bereits seit Monaten hier.

Berichte über Schläge

Die Polizei an der kroatischen Grenze geht mit Härte gegen illegale Grenzübertritte vor. Migranten berichten immer wieder von Schlägen. Viele werden in Kroatien aufgegriffen und wieder zurück an die bosnische Grenze gebracht. Dort schießen die Polizisten dann oft in die Luft.

Die bosnisch-kroatische Grenze ist schon seit Monaten zum neuen Migrantenabwehrwall der EU geworden. Manche werden zehnmal zurückgebracht. In Velika Kladusa leben sie in Zelten auf einem Feld namens Trnovi, in Bihac in einem verlassenen Studentenheim namens Borici.

Die sanitären Zustände sind erbärmlich, viele Migranten werden deshalb krank. In Trnovi kam es im Sommer zu Gewalt zwischen Migranten – 15 Personen wurden verletzt. Lokale und internationale NGOs haben Engpässe, wenn es um die Versorgung mit Essen und Medikamenten geht. Viele fürchten nun die winterliche Kälte. Besonders bedürftige Migranten – etwa Familien mit Kleinkindern – sind in einem alten Hotel in Cazin untergebracht. Dort haben aber höchstens 400 Leute Platz.

Grenze als Chance

Die EU-Kommission hat 1,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, weil die bosnischen Behörden auch finanziell überfordert sind. Die meisten Migranten wollen allerdings in Bosnien nicht in den dafür vorgesehenen Flüchtlingszentren bleiben, weil sie lieber in der Nähe der Grenze auf ihre Chance warten.

Hier an der Una sieht man viele alte Burgen und Befestigungsanlagen auf den Hügeln stehen. Sie stammen noch aus der osmanischen Zeit, als sich hier die Militärgrenze zu Österreich-Ungarn befand. Damals konnte man als Besucher nur sehr schwer ins Osmanische Reich hinein. Heute kommt man als Fremder nur mehr sehr schwer aus Bosnien heraus. (Adelheid Wölfl aus Kulen Vakuf, 13.10.2018)