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Ministerpräsident Markus Söder, Sebastian Kurz und Vizeministerpräsidentin Ilse Aigner (v. li.): Hoher Besuch aus Österreich soll in Bayern die CSU noch einmal pushen.

Foto: AP Photo/Matthias Schrader

Am Freitagabend, im bajuwarisch-prunkvollen Löwenbräukeller, hat Sebastian Kurz zunächst einen schönen Moment. Bei der Begrüßung durch CSU-Generalsekretär Markus Blume bekommt der Kanzler deutlich mehr Applaus als jener, der ihn bei der Wahlkampf-Schlussveranstaltung eigentlich dringender nötig hätte: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

Doch gleich darauf hat es auch Kurz nicht leicht. Er ist extra nach München gekommen, um die CSU anzufeuern und noch für ein paar letzte Stimmen zu sorgen. Aber die Stimmung ist nicht gut, in der letzten Umfrage – veröffentlicht vom ZDF-Politbarometer – liegt die Partei nur bei 34 Prozent. Bei der Wahl vor fünf Jahren hat sie noch 47,7 Prozent erreicht.

"Ich kann gut nachempfinden, wie gemischt die Gefühle sind", sagt Kurz auf der Bühne vor 2000 Zuhörern, die an Tischen mit weiß-blauen Tüchern ihre Brezel verdrücken. Man sei "angespannt und erschöpft" vor einer Wahl. Dann findet er noch ein paar aufmunternde Worte: "Ich wünsche euch ein starkes Ergebnis, ich drücke euch die Daumen."

"Rechtsstaat und Demokratie"

Und er erklärt auch, warum. Die CSU und die ÖVP "teilen ein Wertefundament und ähnliche Sichtweisen." Beide setzten auf "Rechtsstaat und Demokratie".

Das sei wichtig, denn: "Wir brauchen ein starkes Europa." Seine Botschaft auf den letzten Metern vor der Wahl an die Bayern lautet: "CDU/CSU sowie die neue Volkspartei stehen als Parteien der Mitte für Stabilität. Gerade in unsicheren Zeiten braucht unsere Gesellschaft diese starke Mitte, damit die politischen Ränder, egal ob rechts oder links, nicht weiter an Zuspruch gewinnen."

"Nicht koalitionsfähig"

Söder nickt zustimmend. Er bezeichnet Kurz als "Freund Bayerns". Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hingegen war bei keiner CSU-Wahlveranstaltung erwünscht. Zwei bis drei hat Söder manchmal an einem Tag absolviert. Auch in den sozialen Medien war er äußerst präsent. Auf Instagram zeigte er vorzugsweise Fotos aus dem Bierzelt oder sich selbst mit Tieren. Einmal hat es sogar ein Löwenbaby erwischt.

Doch am Freitag reichte kein Foto mehr, es war auch eine verbale Botschaft nötig. "Eine Aussage möchte ich ganz klar treffen", sagte er in einem kleinen Film. "Das Programm der Grünen ist in Bayern nicht koalitionsfähig. Denn das, was sie vorgestellt haben, ist genau das Gegenteil von dem, was viele bürgerliche Wähler sich wünschen." Bei Straftätern auf Abschiebung zu verzichten oder Kreuze in Amtsgebäuden wieder abzuhängen, das sei mit der CSU nicht zu machen.

Auch im ZDF-"Morgenmagazin" machte Söder seine Distanz zu den Grünen deutlich und sagte über deren Programm: "Das wirkt zwar frisch, ist aber uralt." Bayern wolle "Freistaat bleiben und nicht Verbotsstaat werden".

Grüne legen zu

Die Grünen hatten in der jüngsten Umfrage, veröffentlicht vom ZDF, noch einmal zugelegt und standen wenige Stunden vor der Wahl am Sonntag bei 19 Prozent. Für die CSU hingegen, die bei der Wahl vor fünf Jahren noch 47,7 Prozent und die absolute Mehrheit erreicht hatte, wies das ZDF-Politbarometer nur 34 Prozent aus.

Söder zeigte sich skeptisch bezüglich der neuesten Zahlen und erklärte zum Thema Umfragen: "Ich wurde noch nie im Leben angerufen." Hintergrund von Söders letzter Warnung an die Wähler: Nach dem absehbaren Verlust der Absoluten braucht die CSU einen Koalitionspartner. Rechnerisch wäre ein Bündnis mit den Grünen möglich, deren Spitzenkandidaten Katharina Schulze und Ludwig Hartmann sind unter Umständen auch zur Kooperation bereit.

Doch der grüne Bundeschef Robert Habeck warnt: Wenn die CSU an einer "antieuropäischen Politik" festhalte und "weiter Grenzen hochziehen" wolle, "wären Gespräche über eine etwaige Koalition schnell erledigt".

Grenzkontrollen bleiben

Just am Freitag, zwei Tage vor der Wahl, verkündete CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer auch, dass Deutschland die Kontrollen an der Grenze zu Österreich bis Mai 2019 verlängern werde. "Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Binnengrenzkontrollen sind derzeit noch nicht gegeben", so Seehofer. Österreich hat seinen Antrag auf Verlängerung der Grenzkontrollen schon am Donnerstag bei der EU-Kommission eingebracht.

Apropos Seehofer: Abgesehen von der Frage, wie tief es bei der Partei nach unten geht, wird in der CSU vor allem eines diskutiert: Was wird aus dem Parteichef?

Seehofer leitet Sitzung

Seehofer selbst hat mehrmals deutlich gemacht, dass er – selbst bei einem veritablen Debakel – seinen Platz weiter an der CSU-Spitze sieht. "Es ist immer noch meine Partei", hatte er erst unlängst erklärt. Es ist – zumindest formal – auch nicht so einfach, ihn loszuwerden.

Als Vorsitzender ist er vom Parteitag gewählt worden, seine Amtszeit dauert noch bis Herbst 2019. Einen neuen Parteitag will Seehofer sowieso nicht einberufen. Das können zwar drei Bezirksverbände der CSU tun, aber das Verfahren ist kompliziert.

Auch in der CSU hoffen manche, dass "Crazy Horst", wie er intern genannt wird, doch noch von selbst geht, wenn der Druck zu groß wird. Jedenfalls will Seehofer am Montag die Gremiensitzung in München, im Franz-Josef-Strauß-Haus, leiten. Für den Dienstag hat er in Berlin eine Pressekonferenz angekündigt. Thema: die Auswirkungen der Bayern-Wahl auf die deutsche Bundespolitik. Klar ist: Solange Seehofer CSU-Chef ist, kann er auch Innenminister bleiben. Denn die Entsendung von Ministern nach Berlin obliegt dem Parteichef.

SPD erwartet ein Desaster

Auch die bayerische SPD hatte am Freitagabend ihren Wahlkampfabschluss. Sie blickt ebenfalls einem Desaster entgegen. In einigen Umfragen liegt sie – hinter CSU, Grünen und AfD – nur noch an vierter Stelle. Zum Schlussappell hatte sich auch Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles angekündigt.

Zwischen ihr und der bayerischen Spitzenkandidatin Natascha Kohnen war es im Wahlkampf zum Streit gekommen. Kohnen hatte scharf kritisiert, dass der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen zunächst eine Beförderung zum Staatssekretär in Seehofers Innenministerium bekommen sollte, und sie hatte dafür auch Nahles verantwortlich gemacht.

Im Bund sieht es für die Sozialdemokraten wenig besser aus. Laut einer GMS-Umfrage liegt die SPD auch dort (mit 15 Prozent) nur noch auf Platz vier – ebenfalls nach CDU/CSU, Grünen und AfD. Nahles hat diese Woche mit einem Interview mit der "Zeit" für Aufregung gesorgt. Darin drohte sie mit Koalitionsbruch, sollte "der unionsinterne Zoff weiterhin alles" überlagern. (Birgit Baumann aus München, 12.10.2018)