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Die Harmonie zwischen Belinda Stronach und ihrem Vater Frank ist verflogen. In Familienbetrieben ist die Hemmschwelle bei Auseinandersetzungen niedriger als im Umgang mit anderen Geschäftspartnern.

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Frank Stronach kämpft um sein Imperium. Wie sehr dem Magna-Gründer und Ex-Politiker sein Lebenswerk am Herzen liegt, zeigt die am Donnerstag eingereichte Klage. Er wirft seiner Tochter Belinda und seinen zwei Enkeln vor, sein Unternehmen heruntergewirtschaftet zu haben. Belinda habe durch ihren extravaganten Lebensstil 70 Millionen kanadische Dollar aus der Firma abgezogen. Wegen Untreue und Fehlentscheidungen klagt Stronach seine Angehörigen auf 520 Millionen kanadische Dollar (330 Millionen Euro).

Was immer nun im Hause Stronach vorgefallen sein mag, verblüffend ist vor allem eins: Wie kann es sein, dass sich Familienmitglieder derart in die Haare geraten? Und den Streit via Klagen und noch dazu in der Öffentlichkeit austragen? Experten machen für derartige Auseinandersetzungen fehlende Konfliktkultur und Regeln verantwortlich. Viele Personen hätten es einfach nicht gelernt, sich mit dem Visavis auseinanderzusetzen, meint die Mediatorin Gudrun Janach. Mit einer "Familienverfassung" könnten Fragen wie Managementbeteiligung, Abberufung und Konsequenzen bei Fehlverhalten präventiv geklärt werden, sagt die Beraterin Barbara Heitger. Nachsatz: "Dann passieren solche Sachen nicht."

"Da werden die Leute zu Viechern"

Doch warum streiten gerade reiche Familien um Geld, wenn sie doch mit einem Bruchteil ihres Vermögens ein Luxusleben führen könnten? Sören Buschmann, Partner bei der Beratungsgruppe BDO, macht dafür eine besondere Konstellation verantwortlich. Die existenzielle Angst vor der Verantwortung, die ein großes Vermögen mit sich bringt, treffe auf ein hohes Maß an Unabhängigkeit. Kommen solche Faktoren zusammen, sei das Verhalten wesentlich aggressiver als in anderen Fällen, schildert Buschmann. "Da werden die Leute zu Viechern." Janach bestätigt: "Je mehr Geld im Spiel ist, desto erstaunlicher verlaufen die Konflikte."

Was in den Augen Buschmanns ebenfalls eine Rolle spielt: Im Geschäftsleben oder unter Mitarbeitern gehe man tendenziell pragmatisch mit Partnern oder Kollegen um, "in der Familie sind die Hemmschwellen viel niedriger". Für Höflichkeiten bleibt dann wenig Platz, wenn die Stimmung angespannt ist.

Kein Einzelfall

Die Familie Stronach ist da kein Einzelfall. Schwere Konflikte unter Anverwandten haben schon viele Unternehmensgeschicke beeinflusst. In Österreich hat beispielsweise der Seilbahnclan Doppelmayr jahrelang für ein kräftiges Blätterrauschen gesorgt, nachdem der im Vorjahr verstorbene Patriarch Arthur Doppelmayr das Ruder an seinen Sohn Michael übergeben hatte. Seine Abberufung bekämpfte Arthur bis zum Höchstgericht, danach torpedierte er Sohn und Geschäftsleitung via Aussendungen und Anfechtungsklagen.

Auch im Hause Swarovski sind schwere Zerwürfnisse nichts Unbekanntes. Für Unfrieden in der Kristallwelt sorgte unter anderem der Rauswurf von Paul Swarovski im Jahr 2011, der als Attacke des Familienzweigs Langes-Swarovski gewertet wurde und vor Gericht ausgetragen wurde. Wenn es um Geld und Macht geht, klirrt es in Tirol immer wieder.

Ebenfalls in der Öffentlichkeit ausgetragen wurde der Zwist im Hause Porsche. Das langjährige Mastermind Ferdinand Piëch verlor einen spektakulären Machtkampf um die VW-Hoheit gegen seinen Cousin Wolfgang Porsche und zog sich als Aufsichtsratschef und Großaktionär von Volkswagen und Porsche zurück.

Deutsche Fehden

Auch die Familie Oetker füllte mit ihrer internen Fehde jahrelang die Klatschspalten. Patriarch August Oetker kämpfte gegen die jüngeren Brüder Alfred und Ferdinand. Die Meinungen der acht Halbgeschwister aus den drei Ehen von Rudolf-August Oetker lassen sich nicht so leicht unter einen Hut bringen. Der deutsche Lebensmittelkonzern trennte sich nach langen Streitereien von seinen Reedereien und lässt seit zwei Jahren einen externen Geschäftsführer die Geschicke führen.

(Film-)Geschichte sind die Querelen der Brüder Adi und Rudolf Dassler, die in den 1920er-Jahren die Produktion von Filzpantoffeln von ihrem Vater übernahmen. Nach dem Zweiten Weltkrieg – Rudolf musste an die Front, Adi blieb in Bayerm – kam es zum Zerwürfnis und zu Denunziationen bei den Alliierten. Rudolf stieg aus und machte fortan dem Stammbetrieb Adidas mit einem eigenen Unternehmen Konkurrenz: Puma. Womit der Streit immerhin eine produktive Note erhielt. (Andreas Schnauder, 13.10.2018)