v. li.: Carsten Süss (Peter Iwanow), Daniel Schmutzhard (Peter I), Lars Woldt (Van Bett), Georg Wacks (Ratsdiener) und Sulie Girardi (Witwe Browe)

Foto: VOLKSOPER WIEN/BARBARA PÁLFFY

Die Publikumsreaktionen im Parkett der Volksoper bei einer Premiere sind ebenso vielsagend wie erwartbar. Mehrfach ging ein irritiertes Raunen durch die Reihen: einmal, als für eine kurze Sequenz von Zar und Zimmermann ein altertümliches Fernsehgerät herbeigeschafft wurde, ein anderes Mal, als der dreiviertelvolle Mond in Form eines Goudas vom Schnürboden rollte.

Ob man das für Gaudi oder ausgemachten Käse hält: Beides verkennt die Intention des Regisseurs, Bühnen- und Kostümbildners Hinrich Horstkotte, die Klischees in Albert Lortzings komischer Oper zu brechen. Dazu setzt der geborene Bonner, unter anderem am Salzburger Marionettentheater sozialisierte Theatermann zunächst auf pralle Übererfüllung der im Stück selbst steckenden Gemeinplätze, arbeitet die komische Ebene ebenso heraus wie die durchaus ernstgemeinten Themen: zwei Facetten, die sich in den beiden konträren Protagonisten konzentrieren.

Volksoper Wien

Esprit und Delikatesse

Da ist zum einen Herr van Bett, der Bürgermeister einer niederländischen Kleinstadt, zum anderen Zar Peter I., der dort unerkannt als Zimmermann die Nähe des gemeinen Volks sucht, um künftig ein besserer Herrscher sein zu können. Als buchstäblich aufgeblasener Gemeindeoberster ist Lars Woldt als Falstaff'scher Fettwanst ausstaffiert und agiert dabei so pointiert, dass feingeschliffene Komödiantik gelingt.

Als sein Gegenüber transportiert Daniel Schmutzhard den ernsten Ton mit gesanglichen Qualitäten und geradezu kunstliedhaftem Tiefgang: romantisch seelenvoll und von klarer Diktion. Bei seinen Monologen macht die Komik Pause, die ansonsten in der Inszenierung im Vordergrund steht und sich auch über jene Phasen des Stücks zu retten versucht, in denen das Geschehen vor sich hin plätschert.

Klischees zur Übertreibung

Lortzing hat ein ansonsten ansprechendes Amalgam von deutscher Spieloper und italienischer Buffo-Leichtigkeit geschaffen – und Dirigent Christof Prick realisiert dies mit Esprit und Delikatesse, versucht seinerseits, steten Schwung ins Getriebe zu bringen. Merkwürdig allerdings, wie blass die genretypisch mehrfach umworbene Maria (Mara Mastalir) sowohl stimmlich als auch darstellerisch inmitten bleibt.

Solide sind hingegen Carsten Süss als Zimmermannsgeselle Peter Iwanow, Stefan Cerny als englischer Gesandter und Ilker Arcayürek als sein französisches Gegenüber: Meist gelingt es, die nationalen Klischees so weit zu strapazieren, dass sie als Übertreibung erkennbar werden (ein Kunststück, dass übrigens schon in der die auftretenden Nationalitäten vorwegnehmenden mehrsprachigen Ansage vor Beginn der Vorstellung amüsant gelingt).

Wink mit Holzhammer

Und auch der Holzschuhtanz des Kinderballetts stolpert gekonnt zwischen pittoresker Folklore und ironischem Aufbrechen. Geraunt wurde wieder in der finalen Szene, in der im Original der Zar auf seinem Schiff die jubelnde Menge grüßt: Horstkotte lässt seine Fregatte in das Schlussbild einbrechen und die Mauer einreißen – ein Wink mit dem Holzhammer am Ende einer sorgsam gebauten Konstruktion. Der Jubel für die Produktion war letztlich ohne Raunen und ungeteilt. (Daniel Ender, 15.10.2018)