Michel Barnier sieht sich offenbar einer Einigung mit den Briten nahe.

Foto: APA / AFP / Emmanuel Dunand

Die Verhandlungen über den EU-Austritt von Groß britannien gehen diese Woche in eine entscheidende Phase. Sonntagabend trafen sich in Brüssel EU-Chefverhandler Michel Barnier und sein britisches Gegenüber, Brexit-Minister Dominic Raab. Wie der STANDARD aus Ratskreisen erfuhr, sei es aber "trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen, zu einer Vereinbarung zu kommen". Das bestätigte Bernier später auch selbst. Bis Mittwoch werde es keine weiteren Verhandlungen geben, an diesem Tag werde Barnier dann einen Bericht vorlegen. In den Abendstunden wurden die Botschafter der EU-27 – unter ihnen auch der Österreicher Nikolaus Marschik – von der EU-Kommission über den Stand der Dinge unterrichtet.

Vor dem Wochenende machte sich Optimismus breit: Eine Einigung könnte noch vor dem EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel auf dem Tisch liegen. "Deal gemacht, jedoch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt", lautet eine Anmerkung in Arbeitspapieren zum Zeitablauf der Verhandlungen, die via Medien zirkulierten. Bis zuletzt offen war die Kontrolle an der Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland im Süden.

Ein Entwurf des EU-Austrittsvertrages könnte am Montag von der britischen Regierung genehmigt werden, hatte es geheißen. Die EU-Staats- und Regierungschefs müssten in der Folge ebenfalls zustimmen, genauso wie das britische Unterhaus.

London dementierte Einigung

In London wurde das Einigungsszenario dementiert: Das Kabinett werde sich Dienstag wie geplant mit dem Brexit beschäftigen, Premierministerin Theresa May werde Mittwochabend mit ihren Vorschlägen nach Brüssel reisen, zu einer Aussprache mit den EU-27.

Für einen umfassenden Deal ist es nötig, nicht nur die Bedingungen für den Austritt am 29. März 2019 zu klären: Vor allem die EU-27 drängen darauf, dass mit dem Austrittsvertrag auch schon im Großen geklärt wird, wie man sich die künftigen Beziehungen vorstellt. Darauf hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zuletzt in einem Interview mit dem STANDARD, Kurier und Falter hin gewiesen. Er ging davon aus, dass der Vertrag bei einem EU-Sondergipfel am 17. November unter Dach und Fach gebracht wird.

Bei der Auffanglösung (Backstop) gilt es zu klären, wie man nach einer bereits vereinbarten "Übergangsperiode" bis Ende 2020 verfährt; ob die Briten dann etwa in einer Zollunion bleiben, sollte man keinen neuen Freihandelsvertrag vereinbaren; oder ob Nordirland auch länger im Binnenmarkt (und unter EU-Gesetzgebung) verbleibt als das übrige Vereinigte Königreich. All diese Dinge sind vor allem auch innerhalb Großbritanniens sehr umstritten – nicht nur parteipolitisch, sondern auch zwischen Nordirland, Schottland und der Zentralregierung in London.

Am Dienstag werden sich die Außenminister mit dem Brexit beschäftigen und den Ball für den EU-Gipfel auflegen. Barnier wird, wie es seinem Auftrag entspricht, zuvor einen Bericht vorlegen. Der Zeitplan sah von Anfang an vor, dass er Mitte Oktober 2018 fertig sein soll.(Thomas Mayer aus Brüssel, 14.10.2018)