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Was bringt der Algorithmus – eine realistische Prognose oder werden Benachteiligungen verstärkt?

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Die Chancen am österreichischen Arbeitsmarkt sind nicht für alle Menschen gleich. Das ist eine Tatsache. Dass Bildungsgrad, Karriere und erworbene Qualifikationen eine große Rolle dabei spielen, wie einfach oder schwer sich die Jobsuche individuell gestaltet, wird die wenigsten Menschen stören und ist kein großes gesellschaftliches Thema. Zudem tragen ganz andere Faktoren wie Staatsbürgerschaft, Geschlecht oder die Frage, ob man Kinder oder sonstige Betreuungspflichten hat, ebenso entscheidend zur eigenen Perspektive am Jobmarkt bei.

Vor diesem Hintergrund führt der Plan des Arbeitsmarktservice (AMS), die Chancen von Arbeitssuchenden künftig per Algorithmus zu bewerten, zu einer angeregten Diskussion. Wie berichtet will das AMS Jobsuchende künftig in drei Kategorien einteilen, in jene mit niedrigen, mittleren und hohen Chancen am Arbeitsmarkt.

Kunden mit niedrigen Chancen sind zum Beispiel jene, bei denen das Programm davon ausgeht, dass die Wahrscheinlichkeit bei weniger als 25 Prozent liegt, dass die Betroffenen binnen zwei Jahren für sechs Monate in Beschäftigung gebracht werden können.

Als Reaktion auf das rege Interesse an dem neuen Computerprogramm hat das AMS ein Papier veröffentlicht, in dem dargestellt wird, was in die Bewertung durch Algorithmus einfließt, also welche Kriterien sich positiv und negativ auswirken. Das hat prompt eine neue Debatte ausgelöst.

Worauf es ankommt

Eine Rolle bei der Beurteilung der individuellen Chancen spielen der ausgeübte Beruf, die Tatsache, ob man vorher schon einmal arbeitslos war, ebenso wie die Karriere und die Ausbildung. Hat ein Arbeitssuchender zum Beispiel eine Lehre abgeschlossen, steigen im Computermodell die Chancen auf berufliche Vermittelbarkeit gegenüber einer Person mit nur Pflichtschulabschluss deutlich. Auch eine Bewertung der Region, in der eine Arbeit gesucht wird, fließt mit ein.

So weit, so wenig kontroversiell. Eine Rolle spielt zusätzlich auch das Geschlecht: Bei Frauen verschlechtert sich die Perspektive bei der Jobsuche automatisch ein wenig laut der Berechnung des Programms. Eine wichtige Rolle spielt das Alter. Arbeitssuchende werden in drei Gruppen eingeteilt: Personen bis 29 Jahre, 30- bis 49-Jährige sowie Personen über 50. Wer zur letzteren Gruppe gehört, hat deutlich geringere Chancen bei der Vermittelbarkeit.

Daneben gibt es auch eine Einteilung nach Staatsbürgerschaft: Neben Österreichern kennt der Algorithmus Drittstaatsangehörige (schlechtere Perspektive) und EU-Staatsbürger (etwas bessere Perspektive). Negativ wirkt sich schließlich aus, wenn jemand Betreuungspflichten hat, also etwa auf Kinder schauen muss.

In sozialen Medien wurde an dieser Bewertung Kritik laut. Tenor: Damit würden existierende Benachteiligungen am Arbeitsmarkt vom Modell auch für die Zukunft festgeschrieben, weil diese Faktoren bei der individuellen Chancenbeurteilung einfließen.

Material für die Prognose

Beim AMS sieht man das anders. Die Software soll eine Prognose über Chancen am Arbeitsmarkt abgeben, und das sei nur möglich, wenn man die unterschiedlichen Perspektiven Jobsuchender realistisch berücksichtige. Eine höhere Arbeitslosigkeit unter Drittstaatsangehörigen sei eine Tatsache. Frauen seien am Arbeitsmarkt struktureller Diskriminierung ausgesetzt.

Die Frage, wie der Algorithmus die individuellen Chancen bewertet, dürfte in Zukunft relevant werden. Das AMS wird die Software ab 2019 in einer Testphase einsetzen. Im kommenden Jahr wird jeder Arbeitssuchende einer der drei Gruppen zugeteilt. Daran sind aber vorerst keine Konsequenten geknüpft. Ab 2020 könnte es für die Gruppen andere arbeitsmarktpolitische Zielsetzungen und Förderungen geben.

Das AMS sieht mehr Potenzial darin, Ressourcen auf die Gruppe mit mittlerer Perspektive zu konzentrieren, weil man sich hier den größten Effekt von jedem ausgegeben Euro erwartet. Bei Menschen mit schlechteren Chancen könnte es weniger Interventionen geben. Statt teurerer Facharbeiterausbildungen würde diese Gruppe eher Coachings und Programme zur sozialen Stabilisierung bekommen.

Neue Konzepte werden erprobt

Fix ist das nicht: Neben dem Algorithmus werden aktuell neue Betreuungskonzepte zur Unterstützung besonders arbeitsmarktferner Personen durch das AMS getestet. Die Erfahrungen aus diesen Versuchen sollen in das neue Betreuungskonzept einfließen.

Eine Diskriminierung aufgrund der Einteilung in die drei Gruppen werde nicht erfolgen, argumentiert man beim Arbeitsmarktservice weiter. So habe sich das AMS die Vorgabe gesetzt, die Hälfte des Förderbudgets Frauen zugutekommen zu lassen, obwohl der Frauenanteil unter AMS-Kunden unter 50 Prozent liegt. (András Szigetvari, 15.10.2018)