Sanft legt Kira Litin ihre Handfläche auf die Nüstern des brauen Fiakerpferds. Zehn Minuten am Tag nimmt sie sich, um von ihrem Arbeitsplatz am Graben hierher zum Stephansdom zu kommen und die Tiere zu streicheln. Sie tun ihr leid.

Der STANDARD hat nachgefragt: Sollen weniger Fiaker in Wien unterwegs sein?
DER STANDARD

Auch wenn dann weniger Pferde da wären, die Litin besuchen könnte, ist der aktuelle Vorstoß Markus Figls daher in ihrem Sinn: Der ÖVP-Bezirksvorsteher der Innenstadt fordert in einer aktuellen Stellungnahme eine Reduktion der Fiakerkutschen, denkt sogar ein "schrittweises Ende an". Die Gründe: ein schwieriges Image bei Tierschützern und Geruchsbelästigung der Stadtbewohner. Und ein jährlicher Schaden von 750.000 Euro, den die Fiakerpferde anrichten sollen, indem sie die Substanz der Straßen abtragen.

Eine finanzielle Frage

Man könne aber, so heißt es in der Stellungnahme, die Figl an den Petitionsausschuss schickte, nur 300.000 Euro beitragen. Er möchte daher die Fiakerunternehmen finanziell einspannen: für die Reinigung und für die Sanierung der Straßen. Es sei nicht einzusehen dass "der Bezirk diese Branche mit derart hohen Summen fördert", heißt es darin.

Das Wohl der Pferde sorgt regelmäßig für Diskussionen. Nun geht es um die Straße unter ihren Hufen.
Foto: APA/ROBERT JAEGER

Die Kutscher sind berufsbedingt gegen diesen Vorstoß: "Auf jedem Reiseführer hast du einen Fiaker", sagt etwa Andreas Horvarth und schiebt sich die Melone aus der Stirn. "Und nun will man uns weghaben, jetzt sind wir nicht mehr zeitgemäß?"

Aktuell 116 Konzessionen

Im 17. Jahrhundert, als die Fiaker sich in Wien etablierten, waren sie ein Mittel zur Fortbewegung, 1693 wurde die erste Lizenz erteilt. Knapp hundert Jahre später gab es 650 Fiaker in der Stadt, zu Spitzenzeiten sollen es bis zu 1.000 gewesen sein.

Heute regeln Platzkarten, wie viele Fiaker in Wien unterwegs sein dürfen: 116 Stück vergibt der Magistrat an die Fiaker- und Pferdemietwagenunternehmen – 58 rote und 58 grüne. Diese Stellplatzkarten möchte Bezirksvorsteher Figl nun reduzieren. Bei Verstößen, etwa wenn der Standplatz nicht geputzt oder zu früh befahren wird – und die gebe es regelmäßig, heißt es in der Stellungnahme –, sollen die Karten entzogen und nicht neu vergeben werden.

Fiaker als Touristenmagnet

Weil der Montag ein ungerader Kalendertag ist, fahren die Besitzer einer roten Platzkarte auf den Stellplatz auf. Gleich werden Touristen in die Kutschen klettern, um auf einer Fahrt auf der Ringstraße und durch den Ersten Sehenswürdigkeiten zu bewundern. Die Kutscher waren schon seit jeher "Wiener Originale", früher traten sie auch als Sänger auf und zeichneten sich durch Diskretion gegenüber Liebschaften in der Kutsche aus.

Heute schreibt das Gesetz vor, wie original sie zu sein haben: Mascherl oder Krawatte sind Pflicht, Gilet, Sakko und Melone auch. "Freizeitkleidung, wie insbesondere Jeans, Parka und Turnschuhe, ist nicht zulässig", sagt das Landesrecht. "Die Leute fahren mit uns, weil der Kutscher einen Schmäh hat und weil es das bisschen 'Altes Wien' ist, das es noch gibt", sagt Kutscher Horvath.

"Fiaker gehören zu Wien wie Schnitzel"

Die Wiener Wirtschaftskammer reagierte umgehend auf Figls Forderung. Gökhan Keskin, der zuständige Fachgruppen-Obmann, schreibt: "Fiaker gehören zu Wien wie Schnitzel oder der Stephansdom", sie seien eine Attraktion und würden das Stadtbild prägen.

Kira Litin ist das letzte Mal mit einem Fiaker mitgefahren, als sie 16 Jahre alt war. "Es ist Tradition, ich weiß", sagt sie und deutet auf die Kutsche, vor die das braune Pferd gespannt ist, das sie tätschelt. "Aber eine Tradition, die ich nicht gern hab'." (Gabriele Scherndl, 15.10.2018)