Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: AP/Matthias Schrader

Die CSU von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat am Sonntag die Rechnung dafür präsentiert bekommen, dass die Parteien ständig um sich selbst kreisen, sagt die deutsche Politologin Ursula Münch. Eine Personaldebatte in Berlin werde es aber frühestens nach der hessischen Landtagswahl in zwei Wochen geben. Auch in Bayern glaubt Münch nicht an unmittelbare personelle Konsequenzen.

STANDARD: Sind in Bayern mit dem Verlust der CSU-Absoluten einfach "normale Verhältnisse eingekehrt", oder ist der Wahlausgang ein Krisensymptom größeren Ausmaßes?

Münch: Koalitionsregierungen sind auf Bundes- wie Landesebene normal und die jahrzehntelange Alleinregierung der CSU die Ausnahme. Dahingehend hat eine Normalisierung stattgefunden. Die auffälligste Besonderheit bei der Wahl ist meiner Meinung nach der Vertrauensverlust der SPD und das Erstarken der Grünen.

STANDARD: Die SPD hat die Hälfte ihrer Wähler verloren, obwohl sie in Bayern keine Regierungsverantwortung hat. Wofür wurde die Partei abgestraft?

Münch: Die Sozialdemokraten tun sich ja nicht nur in Deutschland schwer. Hierzulande hat die Partei aber spätestens seit der Agenda 2010 viel Vertrauen der Wähler verloren. In Bayern wirkt sich das niedrige Ansehen der großen Koalition aus. Aber auch die bayerische Spitzenkandidatin (Natascha Kohnen, Anm.) konnte mit den Themen Anstand, Fairness und Respekt nicht punkten. Wenn sich die Wähler für eine Oppositionspartei entschieden haben, dann für die Grünen, die in Bayern wesentlich attraktiver, frischer und offener daherkommen.

STANDARD: Ist die Wählerschaft der Grünen auch in Bayern vor allem städtisch?

Münch: Nicht nur. In ganz Bayern waren 91 Direktmandate zu vergeben. Normalerweise gingen die immer bis auf eines an die CSU, das eine ging an die SPD in München. Diesmal haben wir ein völlig anderes Bild. In München gingen von elf Direktmandaten nur fünf an die CSU, der Rest an die Grünen. Die Grünen erscheinen aber auch im ländlichen Raum erstmals wählbar, weil sie auch Themen wie Heimat oder Flächenversiegelung besetzt haben.

STANDARD: Auch die AfD hat mit etwa zehn Prozent ein beachtliches Ergebnis erreicht. Woher kommen ihre Wähler?

Münch: In den Städten hatte die AfD keine Chance. Sie wurde von Menschen in strukturschwachen Gegenden oder in Gegenden mit Abwanderungstendenz gewählt. Aber auch in grenznahen Gebieten war die Partei erfolgreich. Hier ist die Erinnerung an das Flüchtlingsjahr 2015 noch sehr plastisch. Zwar hat auch die CSU versucht, mit restriktiver Flüchtlingspolitik zu punkten. Die AfD hat es aber geschafft, viele Wähler davon zu überzeugen, dass die CSU zwar viel verspricht, sich gegenüber der CDU aber nicht durchsetzen kann.

STANDARD: Wie hoch ist der Druck in der CSU, dass Köpfe rollen?

Münch: Der psychologische Vorteil für die CSU ist, dass in den letzten Wochen bereits klar war, dass das Ergebnis schlecht wird, und sogar befürchtet wurde, dass es noch schlechter ausfallen könnte. Beide, CSU-Chef Horst Seehofer und Ministerpräsident Markus Söder, halten sich jetzt mit gegenseitigen Schuldzuweisungen zurück. Innerhalb der Partei kommt aber sicher noch Bewegung rein. Der ehemalige Parteichef Erwin Huber aus Niederbayern, 2008 von Seehofer abgesägt, könnte schon Montagabend bei der CSU-Vorstandssitzung nach einem Ende von Seehofer rufen. Wenn aber keine mutigen Leute da sind, die sich als Kandidaten positionieren, oder keine, die diese dann auch unterstützen, wird der Aufstand nicht stattfinden. Ich vermute jedenfalls, dass sich so schnell nichts ändert.

STANDARD: Was sind die Folgen für die große Koalition in Berlin? Ist ein vorzeitiges Ende seit Sonntag wahrscheinlicher?

Münch: Die große Koalition stand von Anfang an unter keinem guten Vorzeichen. Ein vorzeitiges Ende ist aber nicht viel wahrscheinlicher geworden. Innerhalb der SPD rufen natürlich vor allem diejenigen, die immer schon gegen die große Koalition waren, noch lauter nach einem Ende. Gleichzeitig grummelt es in der Union. Aber beide werden sich meiner Meinung nach bis nach den Landtagswahlen in Hessen (am 28. Oktober, Anm.) zurückhalten. In Wiesbaden steht die CDU sehr schlecht da. Die Personaldebatte wird danach sicher verstärkt geführt. Aber auch hier gilt: Solange es keine Mutigen gibt, die andere hinter sich bringen, wird nicht viel passieren. Ironisch ist, dass die Wähler in Bayern die Politik eben wegen dieses ständigen Um-sich-Kreisens abgestraft haben. Sie wollen, dass die Politik ihre Aufgaben löst.

STANDARD: Zurück nach Bayern. Söder wünscht sich ein "bürgerliches Bündnis" ...

Münch: Es hat sich schon im Vorfeld eine Koalition zwischen CSU und den Freien Wählern abgezeichnet. Das bürgerliche Lager ist nach wie vor das starke in Bayern. (Manuela Honsig-Erlenburg, 15.10.2018)