Durch das neue Verfahren lassen sich gefährliche Karzinome besser identifizieren.

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In Europa gibt es jährlich 77.000 Todesfälle und 365.000 Neuerkrankungen durch Prostatakrebs. Damit ist das Prostatakarzinom die häufigste Krebserkrankung bei Männern. Bisher werden PSA ("Prostataspezifisches Antigen")-Tests als Screening-Methode für die Früherkennung von Prostatakrebs eingesetzt.

Doch diese Bluttests sind ungenau und aggressive Tumoren können damit nur schwer identifiziert werden. Nun soll es eine bessere Option geben. Henrik Grönberg vom Karolinska Institut in Stockholm und sein Team haben mit einem "Stockholm 3"-Test offenbar eine deutliche Verbesserung geschafft.

Grönberg stellte die Entwicklung kürzlich bei einem Symposium in Wien vor, bei dem namhafte internationale Wissenschafter die besten Wege diskutierten, innovative Biotech-Forschung aus der Grundlagenwissenschaft in die Praxis zu übersetzen. Ein solches Projekt könnte auch das Prostatakarzinom-Screening-System sein, das der schwedische Experte entwickelt hat.

Schwere Infektionen

"Die PSA-Tests sind suboptimal. 30 bis 40 Prozent der nachfolgenden Biopsien sind nicht notwendig. Bei zwei Prozent davon kommt es zu schweren Infektionen", so der Experte. Die Einschätzungen der Pathologen zur Gefährlichkeit eines Karzinoms auf der Basis der Gewebeproben schwanke deutlich. Man sollte auf jeden Fall einen zweiten Pathologen für einen Vergleich zurate ziehen. Wären sich gar drei Pathologen nicht einig, hätte man als Patient wirklich Probleme, weil es ja unterschiedliche Strategien im Fall des Falles gibt: Zuwarten, Operation, Strahlentherapie, antihormonelle Behandlung und Kombinationen aus alldem.

Die schwedischen Wissenschafter haben deshalb eine Kombination an Faktoren entwickelt, die eine genauere Aussage über das mögliche Vorliegen bzw. über die Art einer vorhandenen Prostatakarzinomerkrankung ermöglicht. Der Test wurde bereits in wissenschaftlichen Studien auf seine Aussagekraft untersucht. Integriert werden: Familienanamnese (Vorfahren ersten Grades mit/ohne Prostatakarzinom sowie vorgenommene Biopsien bei Vorfahren), Bluttest auf Gesamt-PSA-Konzentration, freies PSA-Protein und deren Verhältnis sowie auf die Konzentration von Markerproteinen wie hK2, MIC1 und MSMB. Hinzu kommt noch die Untersuchung auf zahlreiche genetische Marker, die normale Prostatauntersuchung beim Urologen und die Berechnung des Volumens der Drüse.

Auf Biopsie verzichten

Die Ergebnisse sprechen für eine viel höhere Aussagekraft: Statt bei bloßen PSA-Befunden zu 60 Prozent auf "gutartige" Ergebnisse, kommt man mit "Stockholm 3" auf nur 36 Prozent. Statt in 20 Prozent der Fälle ein Karzinom als kaum gefährlich zu klassifizieren, sind es bei neuen Testverfahren nur sechs Prozent. Hingegen findet man bei einem echten Verdacht mit der Kombi-Methode schließlich wirklich zu 58 Prozent ein gefährliches und unbedingt zu behandelndes Karzinom (PSA-Test allein: 20 Prozent).

Das führte in den Testreihen dazu, dass beim Vorliegen eines Karzinomverdachts zu 32 Prozent auf eine Biopsie verzichtet werden konnte. Ebenso konnte 44 Prozent unnötiger Biopsien bei schließlich bestätigt gutartigen Veränderungen der Prostata vermieden werden.

Das Programm beginnt sich bereits in West- und Nordeuropa zu etablieren: Seit eineinhalb Jahren wird es in Stockholm und Umgebung verwendet. "Es hat sich auch bereits nach Norwegen verbreitet, ist in Deutschland, den Niederlanden und in Großbritannien angekommen", so Grünberg. (APA, 15.10.2018)