Die mit Spannung erwarteten Ergebnisse der Landtagswahl in Bayern bedeuten vor allem eine Warnung an die traditionellen Volksparteien, und das nicht nur in Deutschland. Der folgenschwere, wenn auch allgemein erwartete Absturz der bisher allein dominierenden CSU dürfte zum Teil mit den verwirrenden Versuchen des Parteivorsitzenden Horst Seehofer, wohl aber auch des erst seit März amtierenden Ministerpräsidenten Markus Söder zusammenhängen, die rechtsradikale Alternative für Deutschland (AfD) rechts zu überholen.

Nach den drohenden Umfrageergebnissen hatte Söder dann versucht, sich von der AfD stärker zu distanzieren. Dadurch wurde sein Glaubwürdigkeitsproblem noch größer. Doch betrachten viele in der CSU eher Seehofer, der sich als Bundesinnenminister und Rivale der Bundeskanzlerin profilieren wollte, als den Hauptverantwortlichen für die bittere Niederlage. Seehofer hatte bei den stramm rechten CSU-Wählern Erwartungen geweckt, die er dann nicht erfüllen konnte.

Es war symbolträchtig, dass im Gegensatz zu den offenherzigen Hinweisen der CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer auf die Wirkung der koalitions- und parteiinternen Streitereien Seehofer und Söder in ihren Auftritten in der Wahlnacht jeden Hauch einer Selbstkritik vermieden. Die Abrechnungen untereinander und vor allem in Richtung Angela Merkel dürften erst nach der in zwei Wochen fälligen Landtagswahl im Bundesland Hessen mit voller Wucht präsentiert werden. Was übrigens das Thema Moral betrifft, kann man auf den Entertainer Harald Schmidt hinweisen, der Söder zitierte. Dieser habe ihm nach einer Sendung beim Bier gesagt: "Moral in der Politik ist selbstverständlich keine Kategorie, außer wir wollen jemandem schaden."

Bittere Niederlage

Aus den jähen Wendungen in der Einstellung zur Teilnahme an einer Koalitionsregierung mit der CDU/CSU nach der Bundestagswahl erwuchs auch der SPD eine massive Glaubwürdigkeitskrise. Die Halbierung ihres Stimmenanteils und der Fall auf den fünften Rang nach der CSU, den Grünen, die ihren Anteil verdoppelten, einer Bürgerliste und der AfD, die auf Anhieb über zehn Prozent erreichte, bedeuten eine besonders bittere Niederlage mit unabsehbaren Konsequenzen für die große Koalition. Die SPD-Spitze – Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz sowie die Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles – gerät unter massiven Druck des linken Flügels.

Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die beiden Koalitionsparteien auch in Hessen Einbußen hinnehmen müssen; erst nach diesem Wahltag wird die akute Gefahr für die Zukunft der geschwächten Koalitionsregierung offensichtlich sein. Die SPD könnte die Flucht nach vorn antreten, die diskreditierte Spitze abwählen und die Koalition sprengen. Damit wird Merkels Kanzlerschaft infrage gestellt. Die Stunde der autoritären Scheinlösungen könnte bald schlagen. Wie der deutsche Historiker Andreas Rödder kürzlich warnte: "Gegen 'rechts' gibt es (bei der Mitte) vor allem Abwehrreflexe, wenig durchdachte Strategien." (Paul Lendvai, 15.10.2018)