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Niemand hat die Absicht, die Berliner Koalition zu verlassen. Markus Söder und Horst Seehofer wollen durchhalten...

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...ebenso wie SPD-Chefin Andrea Nahles und Natascha Kohnen.

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Weiß-blaue Fahnen flattern am Montag vor der CSU-Zentrale im Wind, die Gedenktafel für Franz Josef Strauß ist auch noch da. Die Welt also dreht sich nach den großen Verlusten der CSU weiter. Ebenfalls ganz der Alte ist Parteichef Horst Seehofer, der am Vormittag vorfährt, um an den Gremiensitzungen teilzunehmen. Natürlich wird er gleich gefragt, ob eine solche Niederlage nicht nach personellen Konsequenzen verlange. "Ich führe auch heute keine Personaldiskussion über mich", sagt er, denn er sei "gegen diese schnellen Erklärungen".

Die Doppelspitze mit Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe sich "sehr bewährt". Und im Übrigen: "Ich bin fit." Er verspricht zudem: "Wir werden aktiv und konstruktiv in der Bundesregierung mitarbeiten." Söder, der kurz nach ihm eintrifft, verspürt ebenfalls keinen großen Wunsch nach abruptem Wechsel. Er wird vom Vorstand auch einstimmig für das Amt des Ministerpräsidenten in der nächsten Legislaturperiode nominiert.

Doch es gibt im Vorstand durchaus kritische Stimmen, und diese richten sich an Seehofer. Teilnehmer berichten, der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel habe an seinen eigenen Rücktritt als CSU-Chef im Jahr 1999 erinnert und diesen "konsequent und richtig" genannt. Zum Vergleich: Die CSU hatte damals bei der Bundestagswahl "nur" 47,7 Prozent erreicht, es herrschte großer Frust, weil man unter der 50-Prozent-Marke geblieben war.

Sehr ehrliche Diskussion

"Es war eine sehr ehrliche Diskussion", räumt Seehofer nach der Sitzung ein, was so viel heißt wie: Es ging richtig zur Sache. Man werde schon noch weiterreden – "strategisch, programmatisch, personell", verspricht er. Denn: "Es ist ein schlechtes Wahlergebnis. Niemand ist froh bei uns." Allerdings soll diese vertiefte Aussprache erst im November geschehen. Zunächst habe die Koalitionsbildung absolute Priorität.

Am Mittwoch will die CSU mit der Sondierung beginnen und mit Grünen, Freien Wählern sowie der SPD reden. Ein Lieblings-Partner zeichnet sich jedoch schon ab. "Wir haben eine Präferenz für die Freien Wähler", sagt Söder.

Denn die Losung für die nächste Zeit laute: "Demut vor dem Ergebnis, Verantwortung für unser Land." Bayern brauche Stabilität, es müsse einen "gemeinsamen Geist" in der künftigen Regierung geben. Dieser definiert sich laut Söder "nicht über Mandatsstärke", sondern über Inhalte.

Damit spielt er auf die Grünen an, die deutlich stärker sind als die Freien Wähler. Würde die CSU mit ihnen koalieren, hätte sie ein Bündnis mit bequemerer Mehrheit. Die Grünen wären bereit, doch die von Söder umworbenen Freien Wähler zeigen sich auch bereits sehr willig.

Koalition am Scheideweg

Auch nicht gut ist die Stimmung bei der SPD. Sie hat sich halbiert und landete mit 9,7 Prozent nur auf dem fünften Platz. Juso-Chef Kevin Kühnert sieht die große Koalition in Berlin deshalb am Scheideweg und sagt: "Entweder wir versuchen noch ein weiteres Mal, die Koalitionspartner zur Vernunft zu bringen. Oder wir gehen." Auf Floskeln, dass man "jetzt gründlich analysieren müsse" habe er keine Lust mehr.

Das dürften sich Parteichefin Andrea Nahles und die bayerische SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen zu Herzen genommen haben. "Das schlechte Ergebnis von gestern können wir auch heute nicht besser machen", sagt Nahles. Und Kohnen ergänzt: "Es tut unglaublich weh."

Dennoch will Nahles in der großen Koalition weitermachen. Das Schicksal des Bündnisses entscheide sich nicht nach einer Landtagswahl, sondern in den nächsten Monaten. "Rote Linien jetzt zu definieren, das halte ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht für angesagt", erklärt sie.

Jetzt gelte es "alle Power" bis 28. Oktober in den hessischen Wahlkampf zu stecken. Dies will auch CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer. Für sie ist das Bayern-Ergebnis ein "klarer Warnschuss". Kanzlerin Angela Merkel wertet das Resultat als Folge von Vertrauensverlust. Auch gute Wirtschaftsdaten und Vollbeschäftigung reichten den Menschen nicht, "wenn etwas nicht da ist, was eben so wichtig ist, und das ist Vertrauen in die politischen Akteure". (Birgit Baumann aus München, 15.10.2018)