Auch der ukrainische Präsident Petro Poroschenko (li.) feierte die Anerkennung der ukrainisch-orthodoxen Kirche.

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Petro Poroschenkos Segen hatte Filaret schon lange, nun hat er auch den des Konstantinopler Patriarchen Bartholomeos. Die Heilige Synode des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel hat den Weg frei gemacht für die Bildung einer ukrainischen Einheitskirche. Zunächst hatte sie ihren eigenen Beschluss von vor immerhin 332 Jahren zurückgenommen, der dem Moskauer Patriarchat das Recht einräumte, den Kiewer Metropoliten zu ernennen. Und dann nahm sie den Kirchenbann von Filaret, den sie in Moskau als Spalter verteufeln.

Der inzwischen 89-Jährige war lange Zeit ein treuer Priester der russisch-orthodoxen Kirche und in den 1960er Jahren auch in Wien als orthodoxer Bischof tätig. 1992 jedoch als Statthalter in Kiew machte er sich plötzlich selbstständig und rief die ukrainisch-orthodoxe Kirche aus und sich selbst zum Kiewer Patriarchen – womöglich weil er zuvor bei der Wahl des Moskauer Patriarchen übergangen worden war.

Seither ist die orthodoxe Kirche in der Ukraine gespalten. International anerkannt war allerdings bisher nur die dem Moskauer Patriarchat unterstehende Orthodoxie. Der Bescheid aus Konstantinopel hat die Karten nun neu gemischt und den Weg für die Vereinigung und Selbstständigkeit der konkurrierenden orthodoxen Kirchen im Land freigemacht.

Angesichts der massiven politischen Verwerfungen zwischen Moskau und Kiew ist das ein hochbrisanter Beschluss, der naturgemäß bei den beiden Streitparteien diametral unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen hat. Poroschenko sprach von einem "großen Sieg des von Gott geliebten ukrainischen Volkes." Die Eigenständigkeit der Kirche sei eine Frage der Souveränität der Ukraine, aber auch der nationalen Sicherheit, so Poroschenko, der die geopolitischen Konsequenzen als dramatisch einschätzte. Der ukrainische Präsident sagte gar den "Fall des Dritten Roms" voraus, als das sich Moskau seit Jahrhunderten betrachtet.

Tatsächlich ist die Frage der Zugehörigkeit der ukrainisch-orthodoxen Kirche hochpolitisch, da sowohl Moskau als auch Kiew ihren Einfluss auf die Gläubigen nutzen, um Politik zu machen. Filaret hat den Maidan offen unterstützt, während der Moskauer Patriarch Kyrill in den vergangenen Jahren immer wieder seine Nähe zu Kremlchef Wladimir Putin demonstriert hat.

Empörung in Russland

Auch Moskau ist sich der politischen Tragweite der Entscheidung bewusst und reagierte entsprechend empört. Die russisch-orthodoxe Kirche sprach von einer "Legalisierung der Spaltung" und dem "Versuch, Grundlagen des kanonischen Aufbaus der Orthodoxie zu zerstören". Auf einem Kirchenkonzil am Montag beschloss sie dann alle Beziehungen mit dem in Istanbul residierenden Patriarchen von Konstantinopel abzubrechen. Dieser sei nun selbst ein Kirchenspalter.

Rückendeckung bekam der Moskauer Patriarch schon am Wochenende aus dem Kreml. Sollte es zu "rechtswidrigen Handlungen" kommen, werde "Russland genau so wie es die Rechte der Russischsprachigen verteidigt habe auch die Rechte der Orthodoxen verteidigen", kündigte Putins Sprecher Dmitri Peskow an. Immerhin schränkte er ein, dass Moskau dabei rein auf politische und diplomatische Mittel setzen werde. Außenminister Sergej Lawrow beschuldigte Washington, die Strippen hinter der Kirchenspaltung gezogen zu haben.

Die Folgen sind noch nicht gänzlich abzusehen. Poroschenko hat versprochen, dass es keine gewaltsame Enteignung der Kirchen geben werde, die weiterhin dem Moskauer Patriarchat unterstehen wollen. Doch der Druck auf die Priester wird zweifellos zunehmen, ukrainische Nationalisten haben schon in der Vergangenheit gegen die Kirche gewütet.

Andererseits droht sich auch Moskau in dem Streit zu isolieren. Der kritische Moskauer Theologe Andrej Kurajew befürchtet einen scharfen Machtkampf zwischen Moskau und Konstantinopel um die Führungsposition in der orthodoxen Welt, der rund 300 Millionen Gläubige angehören. Das könnte zu weiteren Spaltungen innerhalb der Orthodoxie führen. (André Ballin aus Moskau, 15.10.2018)