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Migranten auf einem Rettungsschiff bei ihrer Ankunft im Hafen von Malaga. In Spanien steigt dieser Tage die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Migranten wieder.

Foto: REUTERS/Jon Nazca

Die österreichische Bundesregierung deutet an, sich aus dem Global Compact for Migration zurückziehen zu wollen. Erst im Juli bekannten sich 192 UN-Mitgliedsstaaten zu diesem einzigartigen Dokument; lediglich die USA verweigerten die Zustimmung. Seither hat sich Ungarn vom Global Compact verabschiedet, und auch Polen erwägt einen Rückzug.

Der Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration, vereinfacht oft als UN- Migrationspakt bezeichnet, wurde von Mitgliedsstaaten für Mitgliedsstaaten erarbeitet. Ihm ging im September 2016 die von der US-Regierung unter Präsident Barack Obama initiierte New York Declaration voraus, die den Startschuss für weltweite Zusammenarbeit zu den Themen Flucht und Migration gab.

Kein verbindlicher Vertrag

Der Global Compact gibt Antworten auf kritische Fragen der internationalen Migration und schafft Rahmenbedingungen für einen nachhaltigen, ausgewogenen und menschlichen Umgang mit diesem Thema. Es ist kein verbindlicher Vertrag, sondern die Absichtserklärung der Staatengemeinschaft unter Berücksichtigung bestehender Abkommen, kurzsichtigen Umgang mit Flucht- und Migrationsbewegungen zu vermeiden. Chaotische Szenen, wie sie sich im Herbst 2015 abgespielt haben, werden dadurch verhindert. Allein deshalb wäre zu erwarten, dass der Global Compact die Unterstützung einer Bundesregierung findet, die sich vehement für die Bekämpfung illegaler Migration ausgesprochen hat.

In diesem Zusammenhang hat Sebastian Kurz schon in seiner Zeit als Außenminister wiederholt Maßnahmen gefordert, "die den Schleppern das Handwerk legen" und Staaten die Möglichkeit geben, mehr Kontrolle über Migration auszuüben. Eben diese Möglichkeit bietet der Global Compact. Schlepperei tritt vor allem dann in Erscheinung, wenn Staaten sich nicht mit Migration auseinandersetzen und durch Zäune, Grenzkontrollen und Visapflichten versuchen, Migration zu mindern. Dadurch wird eine Marktlücke für Schlepper geschaffen. Schlepperei ist ein Symptom von mangelhaftem Migrationsmanagement und nicht die Ursache illegaler Einwanderung. Weltweit rufen Experten, Organisationen und Vertreter vieler Regierungen dazu auf, dass Staaten die Rolle von Schleppern übernehmen müssen. Diesem Ziel dient der Global Compact und die Bundesregierung ist schlecht beraten sich dieser Aufgabe zu entsagen.

Kleinstaaterei und Abschottung

Die Regierung hat einen anderen Weg eingeschlagen: Sie setzt auf Kleinstaaterei und Abschottung, dämonisiert Flucht und Migration, sieht Nichtösterreicher in erster Linie als Bedrohung für die Sicherheit und das soziale Gefüge des Landes. Diese Betrachtungsweise ist nicht neu, zumal auch im Gesetz die "Fremdheit" von Nichtstaatsbürgern betont wird und wesentliche Fragen der Migration als "fremdenpolizeiliche" Aufgaben behandelt werden. Einem modernen Österreich im Herzen Europas ist eine solche Herangehensweise nicht dienlich. Der Global Compact bietet eine großartige Gelegenheit, vernünftige, ökonomische, faire Migrationspolitik zu betreiben, die auch von bisher skeptischen Bevölkerungsteilen akzeptiert werden kann.

Migrationspolitik im 21. Jahrhundert bedeutet, die wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Aspekte von Flucht und Migration zu verstehen sowie die Bedürfnisse und Kapazitäten von Wirtschaft und Gesellschaft zu erfassen. Dies bedarf einerseits der fortlaufenden Analyse von Arbeitsmarkt, Fachkräftemangel, Geburtenraten und gesellschaftlichen Entwicklungen in Österreich und andererseits der genaueren Beobachtung von Krisenherden, Migrations- und Fluchtbewegungen weltweit.

Organisiert und kontrolliert

Der Global Compact stellt die Rahmenbedingungen zur Verfügung, mit denen die Einwanderung und der Aufenthalt von Migranten organisiert und kontrolliert werden und von denen Wirtschaft, Gesellschaft und Migranten gleichsam profitieren können. Dazu gehört auch, Migration nicht als Gefahr zu sehen, keine Angst vor Migranten zu schüren sowie die Themen Zuwanderung, Niederlassung, Aufenthalt und Asyl aus dem Polizei- und Sicherheitsressort endlich in die Verantwortung der Bereiche Wirtschaft, Soziales und internationale Beziehungen zu übertragen.

Kurz hat wiederholt Australiens Einwanderungssystem lobend erwähnt, sich dabei jedoch lediglich auf die grausame Abschreckung und Behandlung von Asylwerbern bezogen. Wenn Kurz tatsächlich etwas Sinnvolles vom australischen System lernen möchte, ist es, wie eine nachhaltige Migrationspolitik betrieben werden kann, die sowohl Arbeitsmigration, Familiennachzug und Asyl umfasst, Integration aktiv fördert und von weiten Teilen der Bevölkerung unterstützt wird.

Im 21. Jahrhundert ist Migration keine kurzzeitige Erscheinung, die sich abschaffen lässt. Migration ist eine Realität, die sich sinnvoll, verträglich und menschlich regeln lässt. Es ist eine wichtige und zentrale Aufgabe jedes Staates, sich sachlich und transparent mit Migration zu befassen und Mobilität zu ermöglichen anstatt zu verhindern. Der Global Compact schafft dafür die Voraussetzungen. Die Bundesregierung sollte sich dieser Verantwortung nicht entziehen. (Andreas Schloenhardt, 15.10.2018)