Brüssel – EU-Ratspräsident Donald Tusk hält einen Brexit ohne Abkommen für "wahrscheinlicher denn je". Das schrieb Tusk am Montagabend in seinem Einladungsschreiben für den bevorstehenden EU-Gipfel an die 28 Staats- und Regierungschefs in Brüssel, der am Mittwoch mit einer Debatte über den EU-Austritt Großbritanniens beginnt.

Eine Einigung zu finden habe sich als "komplizierter herausgestellt, als einige erwartet haben", schrieb Tusk. Trotzdem solle die Hoffnung nicht aufgegeben werden. Es gebe auf beiden Seiten guten Willen, die Gespräche fortzuführen.

Die britische Premierministerin Theresa May sei am Mittwoch eingeladen, Londons Beurteilung der Gespräche vorzustellen. Später würden dann auf Grundlage der Empfehlung von EU-Chefunterhändler Michel Barnier die 27 Staats- und Regierungschefs eine Entscheidung darüber treffen, wie es mit den Gesprächen weitergehen soll.

Mehr Zeit für Verhandlungen

Laut Barnier will man sich nun mehr Zeit für die Brexit-Verhandlungen nehmen. Man werde die Gespräche mit London in den nächsten Wochen "ruhig und ernsthaft" weiter führen, um zu einer umfassenden Lösung zu kommen, sagte Barnier am Dienstag in Luxemburg.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker machte ebenfalls deutlich, dass die EU jetzt noch nicht aufgeben will. "Ich hätte gern ein Abkommen, weil kein Abkommen heißt: Katastrophe", sagte Juncker. Deshalb bemühe er sich zusammen mit Ratschef Donald Tusk weiter um ein Abkommen mit Großbritannien.

Nordirland-Frage als Knackpunkt

Trotz intensiver Verhandlungen waren Barnier und der britische Brexit-Minister Dominic Raab am Sonntag ohne Einigung auseinandergegangen. Die wichtigste Hürde ist immer noch die Frage, wie Kontrollen an der künftigen EU-Außengrenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland vermieden werden können.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der derzeit den Vorsitz der EU-Länder führt, will nach eigenen Worten ebenfalls alles tun, um ein ungeregeltes Ausscheiden Großbritanniens im März zu verhindern. "Denn ein 'Hard Brexit' wäre nicht nur zum Schaden von Großbritannien, sondern auch zum Schaden von uns in der Europäischen Union", sagte Kurz. "Ich glaube, dass wir da erfolgreich sein werden. Ich bin zumindest ein Optimist." (APA, 16.10.2018)