Tattoos, Muskeln, schwere Armbanduhr: Designer Philipp Plein, wie er gerne gesehen wird.

Foto: Steven Klein/ Philipp Plein

Wenn es nach Plein geht, ziehen sich die Männer im kommenden Frühjahr so an.

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Model Winnie Harlow in Plein-Bling für SS 2019.

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So ist bei Philipp Plein die Reihe eins besetzt: US-Model Kate Upton (links), die britische Moderatorin Maya Jama und die amerikanische Schauspielerin Victoria Justice im Februar während der New York Fashion Week.

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In Philipp-Plein-Shows wird regelmäßig auf den Putz gehauen. Hier ein Model mit Roboterbegleitung während der Fashion Week in New York.

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Philipp Plein, Jogginghose, schwarzes T-Shirt über der trainierten Brust, am Handgelenk eine glitzernde Uhr und Schmuck, breites Colgate-Lächeln im gebräunten Gesicht, ist anlässlich der Eröffnung seines Kindermodengeschäftes nach Wien eingeflogen. Er sitzt im ersten Stock des Restaurants Lav, um ihn herum zwei PR-Mitarbeiter. Durch das Fenster fällt der Blick des Designers runter auf den Graben – der adäquate Ort für eine kurze Audienz beim "König des Bling".

STANDARD: Sie kommen gerade aus London, Ihr Instagram-Account sieht aus, als bestünde Ihr Leben aus Shop-Eröffnungen. Warum braucht die Welt noch mehr Philipp Plein?

Plein: Die Welt braucht nicht Philipp Plein, aber ich brauche die Welt.

STANDARD: Wo sind die hartnäckigsten Plein-Fans zu finden?

Plein: Hoffentlich in Wien.

STANDARD: Was sagen Ihnen denn die Zahlen?

Plein: Ich glaube, wir sind in Wien im Vergleich zum Vorjahr 30 Prozent im Plus. Ich müsste noch mal nachschauen. (Plein öffnet sein E-Mail-Postfach und beginnt nach den aktuellen Zahlen zu suchen.)

STANDARD: Sie sind mittlerweile neben Karl Lagerfeld der bekannteste deutsche Designer – auch weil Sie beide dafür bekannt sind, große Shows zu schmeißen. Müssen Modedesigner Unterhalter sein?

Plein: Sie müssen nicht, aber es hilft. Wenn die Leute sich mit einer Marke identifizieren wollen, dann ist es gut, wenn es da eine Person gibt, in der sie sich wiederfinden. Normalerweise reden Modedesigner ja nicht. Kaum jemand hat jemals einen von ihnen sprechen gehört. Designer sind nach ihren Shows kurz auf dem Laufsteg zu sehen, dann verstecken sie sich hinter der Wand. Karl Lagerfeld hingegen ist eloquent und intelligent. Das ist sicher Teil seines Erfolgs. Gleichzeitig ist er eine Ikone, ein Fashion-Gott und noch dazu witzig.

STANDARD: Den Lagerfeld finden Sie gut, oder?

Plein: Ich habe mich mal ein bisschen über Lagerfeld informiert. Er ist ja früher mit seinem Ferrari durch Paris gefahren und hat die größten Partys gefeiert, in den 1980ern war Dekadenz ja großgeschrieben. Er ist immer noch ein cooler Typ. Die meisten in seinem Alter können da nicht mithalten. Ich glaube, die Mode lässt einen nicht alt werden.

STANDARD: Das klingt stressig!

Plein: Alles, was stresst, hält jung. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Leute, die eingebunden sind in ihre Arbeit, langsamer altern. Wenn sie dann plötzlich aufhören zu arbeiten, dann, bumm, werden sie krank. Das Lebenselixier der Mode besteht aus der Veränderung und dem "Am-Zeitgeist-Bleiben". Einerseits ist es anstrengend, immer wieder mit neuen Ideen zu kommen. Gleichzeitig ist es auch erfrischend, sich mit jungen Leuten zu umgeben. Andere leben und werden dann halt alt. Die Mode aber lässt das nicht zu.

STANDARD: Sie haben irgendwann einmal gesagt, sie wollten vor allem reich sein!

Plein: Das habe ich mit 19 oder 20 gesagt.

STANDARD: Sie waren dann mit 24 schon Millionär. Was ist seither Ihr Ziel?

Plein: Die totale Weltherrschaft! (Die PR-Mitarbeiter am Tisch lachen laut auf, Daumen hoch, "der war gut".)

STANDARD: Wie sieht die Weltherrschaft des Philipp Plein aus?

Plein: In jeder Stadt ein Philipp-Plein-Geschäft.

STANDARD: Nur eins? Das nehme ich Ihnen nicht ab. (Wieder Lachen)

Plein: Okay, es gibt schon Städte, in denen wir mehrere Shops haben. In Hongkong haben wir fünf Geschäfte. In Las Vegas zwei, in Paris drei, in Moskau vier, in London zwei, es geht also nach oben.

STANDARD: Das heißt, Sie denken morgens beim Aufwachen an die Städte, die noch erobert gehören?

Plein: Na ja, da steckt schon ein System dahinter. Ich habe ohne finanzielle Hilfe von außen ein Unternehmen aufgebaut, das organisch wächst. Ohne Kredite bei der Bank, noch nicht einmal einen Investor haben wir mit drin. Deshalb haben wir jedes Jahr nur begrenze Mittel zur Verfügung, das Unternehmen weiter wachsen zu lassen. Da muss man sich genau überlegen, in welcher Stadt und in welcher Lage man das nächste Geschäft eröffnet. Und ob dieses Geschäft auch den Profit bringt, den man erwartet. Aber wir sehen im Unternehmen alles sportlich: Wir wollen immer gewinnen und immer besser werden.

STANDARD: Irgendwann wird das Ende der Fahnenstange erreicht sein ...

Plein: Wir sind mit knapp 300 Millionen Euro Umsatz eigentlich noch ein Start-up. Und im Gegensatz zu Milliardenkonzernen wie Gucci mit sechs Milliarden Umsatz oder Dolce & Gabbana mit einer Milliarde ein kleiner Fisch. Wir sind aber auch eines der letzten komplett eigentümergeführten, unabhängigen Unternehmen. Fast alle Marken gehören entweder zu einer großen Gruppe, haben einen Investor mit drin oder haben anders finanzielle Hilfe in Anspruch genommen.

STANDARD: Da klingt jetzt der Stolz des Underdogs durch ...

Plein: Viele Menschen haben uns hinterfragt und uns den Erfolg nicht gegönnt. Mittlerweile haben wir 800 direkte Mitarbeiter im Unternehmen. Manchmal fühlt sich das alles wie der Kampf von David gegen Goliath an. Diese ganzen Konzerne, die so viel Geld und Macht und Power haben, haben kein Interesse daran, dass ihnen jemand Marktanteile wegnimmt. Die wollen niemand Neues reinlassen.

STANDARD: So schlimm?

Plein: Wie viele neue Marken haben sich in den letzten Jahren international etabliert? Das sind vielleicht Tom Ford, Brunello Cucinelli, das war's dann aber. Warum? Weil das eine Riesenmafia ist. Aber wir wachsen jetzt aus unserer Nische heraus.

STANDARD: Diese Nische heißt Bling-Bling?

Plein: Das ist ein Konzept, das sich viele von uns abgeschaut haben. Schauen Sie sich doch einmal um: Gucci ist Bling von oben bis unten. Bei Saint Laurent blinkt es überall. Irgendwann war klar: Der Junge macht was richtig. Es scheint da einen Bedarf zu geben, sonst wäre der Plein nicht da, wo er ist.

STANDARD: Die Modekritik hat Ihren Bling und Protz immer hart rangenommen. Kränkt Sie das?

Plein: Für die Konsumenten von der Straße sind solche Kritiken nicht wichtig. Die interessieren sich dafür, was im Schaufenster hängt. Modekritiken sind kleine Sticheleien, mehr so ein internes Branchending. Wir wollten nie Teil davon sein. Mittlerweile fängt man aber an, uns zu akzeptieren. Wir werden immer wichtiger, auch für Zulieferer, Lieferanten und gewisse Kunden, die einen Großteil des Umsatzes mit der Marke Plein machen. In manchen Straßen haben wir drei Geschäfte.

STANDARD: Erstaunlich für einen, der nie eine klassische Modeausbildung gemacht hat ...

Plein: Das hat am Anfang niemand verstanden, wie so jemand Erfolg haben kann. Da gibt es die, die sich in der Mode jeden Tag abstrampeln und versuchen, ein Unternehmen profitabel zu machen. Und dann kommt ein Plein her, eröffnet ein Geschäft nach dem anderen, nimmt einer Marke nach der anderen die Location und die Kunden weg. Am Ende zählt aber nur, ob der Kunde das Produkt kauft oder nicht. Und ob er Spaß dran hat. Am Ende interessiert Sie ja auch nur, ob der Leser Ihre Artikel liest.

STANDARD: Die ehemalige "Vogue"-Chefin Carine Roitfeld berät Sie. Ihr bester Ratschlag?

Plein: Carine Roitfeld ist eine gute Freundin, wir sind auf einer Wellenlänge, sie macht unser Styling und ist im Prinzip für die Kollektionen mitverantwortlich. Witzig und ein wenig peinlich ist ja, wenn die Leute Plein kritisieren, aber nicht wissen, dass ihr Idol Roitfeld das gemacht hat. Für manche Kritiker ist alles, was Plein tut, falsch.

STANDARD: Nehmen Sie überhaupt Ratschläge an?

Plein: Absolut, von jedem! Es wäre ignorant zu sagen, dass man alles besser weiß. Wichtig ist, am Ende seine eigenen Entscheidungen zu treffen und mit offenen Augen durch die Welt zu laufen. Sonst wissen Sie nicht, wie der Hase läuft.

STANDARD: Ihre letzte zündende Idee?

Plein: Ich habe so viele Ideen jeden Tag. Manchmal aber fehlt die Zeit, sie zu Ende zu denken. Man ist in einer Tretmühle, muss leisten und liefern. Ich bin ja auch gefangen in meinem Alltagstrott und in dem Käfig, den ich mir gebaut habe. (Anne Feldkamp, 18.10.2018)