Weltrekorde sind so eine Sache. Sie gemahnen einen an die Vergänglichkeit des Seins. Vanitas Vanitatis lautet der diesbezügliche klassische abendländische Terminus. Halbe Ewigkeiten sind aber möglich. Der Rekord von Rudolf Caracciola war so einer. Er hielt vom 28. Januar 1938 bis November 2017 – ein Koenigsegg Agera RS toppte da den Wert. Damals jedenfalls, vor 80 Jahren, errang der legendäre deutsche Rennfahrer mit dem Mercedes-Benz W 125 Zwölfzylinder-Rekordwagen den "weltweit gültigen Geschwindigkeitsrekord auf einer öffentlichen Straße" über einen Kilometer mit fliegendem Start: 432,7 km/h auf der Autobahn zwischen Frankfurt/Main und Darmstadt. In den Jubel mischten sich Entsetzen und Trauer: Selbigen Tages verunglückte Auto-Union-Rennfahrer Bernd Rosemeyer tödlich, automobilhistorisch versierte Menschen wissen Bescheid.

Einst: Mercedes 12-Zylinder- Rekordwagen W 125 mit 765 PS. Mit dem fuhr Rudolf Caracciola 1938 den Straßenweltrekord mit fliegendem Start ein: 432,7 km/h! Der Fabelwert hielt bis November 2017.
Foto: Daimler

Damit er nicht abhob und realistisch auf Siegeskurs gehen konnte, wurde der Rekordwagen in nur acht Wochen von Rudolf Uhlenhaut (technischer Leiter der Rennabteilung) und Max Sailer (Entwicklungsvorstand) umfassend modifiziert. Der V12 mit 5577 Kubikzentimetern Hubraum leistete nun mit Zusatzschiebervergasern 765 PS, und zur Reduktion des Frontauftriebs wurde eine neue Karosserie entwickelt, wofür man sich in den Flugzeugwerken von Ernst Heinkel und Willy Messerschmitt wertvolle Anregungen holte: vorderen Überhang verkürzen, rundere, weiter nach unten gezogene Front, längeres, stärker angehobenes Heck, runderer Querschnitt gegen Seitenwindempfindlichkeit, tropfenförmige Cockpitverglasung und überhaupt konsequente Stromlinie.

Jetzt: Mercedes EQ Silver Arrow, Supersportwagenstudie mit E-Antrieb und 750 PS.
Foto: Daimler

Die geniale Flunder ist heutzutage im Mercedes-Benz Museum zu bewundern, und sie diente zum 80-Jahr-Jubiläum zu einer wundervollen Hommage namens EQ Silberpfeil. Weil die Deutschen inzwischen ihre Muttersprache verlernt haben, schreibt sich das Ding offiziell "Vision EQ Silver Arrow". Sei's drum, vorgestellt wurde es zunächst im August in Pebble Beach, Kalifornien – auf der elitären Monterey Car Week -, und dann soeben auf der Mondial, dem Autosalon in Paris. Was für ein Spektakel! Die fulminante Karbon-Elektro-Studie ist dabei nicht einmal nur ein nostalgischer Reflex, sondern gibt laut Chefdesigner Gorden Wagener auch einen "Ausblick in die Zukunft unseres Designs", konkret: jene der jungen E-Auto-Abteilung EQ. Vielleicht verbirgt sich hinter diesem Silberpfeil sogar ein erster Hinweis auf einen Elektro-Supersportwagen.

Kohlefaser und E-Motor

Ähnlich imposant wie die technischen Daten des W 125 lesen sich die des 5,30 Meter langen Retrofuturisten: Karosserie aus Kohlefaser, teils freistehende, teils verkleideten Räder mit nicht rotierenden Nabenabdeckungen, je ein E-Motor vorn und hinten mit zusammen 750 PS – auf Augenhöhe mit dem W 125 –, Batterie mit ca. 80 kWh Kapazität.

Im Vordergrund das 504 Coupé, dahinter das Cabrio, beide von Pininfarina gezeichnet. Einer der letzten Peugeots mit dem Attribut "exklusiv".
Foto: Peugeot

Auch auf Elektroantrieb setzt die andere in diesem Beitrag zu erwähnende, ebenfalls nostalgische Gefühle weckende Studie, die vermutlich gelungenste am diesjährigen Salon überhaupt: Peugeot e-Legend. Klingt auf Französisch nach "elegant", ist es auch – und toppt den Sternträger in zumindest zwei Punkten: Im Peugeot haben deutliche mehr als ein Insasse Platz, und die Batterie hat eine Kapazität von 100 kWh (!). Bringt Reichweite (600 km nach WLTP), aber auch Masse ... Antrieb? E-Motor mit 460 PS. So was dürften, ja: sollten die Franzosen unbedingt bauen, denen fehlt, bei aller Schlüssigkeit des derzeitigen Modellprogramms, ohnehin ein Emotionsobjekt von einem Kaliber wie dem hier.

Und hier das Zitat, ein echter Charaktertyp, der mit seinen Ecken und Kanten wohltuend aus dem heutigen Einheitsbrei herausragt.
Foto: Peugeot

Sie haben längst erkannt, auf welche Legende sich die Studie bezieht. Auf das 504er Coupé aus dem Jahre 1969. Schon die vor 50 Jahren vorgestellte, legendäre Knickheck-Limousine, ebenfalls von Pininfarina geschneidert, ist bis heute Verehrungsobjekt frankophiler Auto-Connaisseurs. Aber erst das Coupé, das Cabrio! Knickfrei mit leicht vorkragender Motorhaube, zeitlose Eleganz, wie für die Ewigkeit gemacht. Formidable! (Andreas Stockinger, 25.10.2018)