Die Pyramidenanlage des Pharao Sahurê mit dem Aufweg im Vordergrund. Ursprünglich war dieser Weg rechts und links von Mauern gesäumt.

Foto: Mohamed Ismail Khaled

Unter Sand- und Schuttbergen haben die Archäologen einen Block aus der alten Mauer entdeckt, der nun geborgen werden soll.

Foto: Mohamed Ismail Khaled

Würzburg/Kairo – Obwohl sich die Stätte heute weitgehend als Schutthaufen präsentiert, hat man eine verblüffend gute Vorstellung davon, wie die altägyptische Pyramidenanlage wenige Kilometer vor der Stadtgrenze Kairos, die Pharao Sahurê in Abusir hatte errichten lassen, vor gut 4.500 Jahren ausgesehen hat: Vor der eigentlichen Pyramide standen zwei Tempel und als Verbindungsweg dazwischen ein mehrere hundert Meter langer Gang. Dieser war eingefasst von zwei dicken Mauern und von einem Dach bedeckt, das nur durch einen schmalen Schlitz Licht in das Innere fallen ließ.

Bisherige Analysen sprechen dafür, dass die Tempel nach dem Ende des königlichen Totenkults ein wichtiges Pilgerziel darstellten: Geweiht der Götting Sachmet erhofften sich die Besucher Heilung von ihren Krankheiten. Sachmet war in der ägyptischen Mythologie die Göttin des Krieges, aber auch des Schutzes vor Krankheiten und der Heilung. Die Ruinen waren schon einmal genauer untersucht worden: Eine Expedition des Deutsche Orientgesellschaft unter der Leitung des Archäologen Ludwig Borchardt hat zwischen 1902 und 1908 die Bauten freigelegt.

Ignorierter Schutt

Borchardt hat sich damals allerdings auf die Pyramide und die Tempel konzentriert. Den Abraum und den Schutt, den er dabei beseitigen musste, ließ Borchardt in einem Bereich abladen, von dem er keine Funde erwartete. Tatsächlich befanden sich dort jedoch die Überreste des Aufwegs, für den sich die Wissenschafter heute umso mehr sehr interessieren.

Unter der Leitung von Mohamed Ismail Khaled vom ägyptischen Ministerium für Altertümer, der derzeit an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) forscht, hoffen die Wissenschafter mit ihren neuerlichen Ausgrabungen auf tiefere Einblicke in das altägyptische Wirtschaftsleben, seinen Verwaltungsapparat sowie in die Grundlagen der altägyptischen Hochkultur. Nun haben die Forscher in den Überresten früherer Grabungen eine bedeutende Entdeckung gemacht.

Letzte Puzzlestücke

Was den Aufweg für die Forschung so interessant macht, sind Reliefszenen, die die begrenzenden Mauern om Anfang bis zu ihrem Ende schmückten. "Diese liefern uns einmalige Einblicke in die Organisation des frühen ägyptischen Staates", sagt Khaled. Ein Großteil dieser mehrere Meter hohen Steine ist inzwischen geborgen und untersucht. Jetzt glaubt Khaled, die letzten Bruchstücke gefunden zu haben, die das Ende des Weges markiert haben könnten. Sollte er Recht haben, müssten auf diesen Steinen der Pharao Sahurê selbst zu sehen sein, sitzend und Geschenke aus seinen Domänen empfangend – Landgütern, die eigens dafür eingerichtet worden waren, den königlichen Hofstaat mit Opfergaben zu versorgen.

20 Tonnen Steine, Sand und Schutt – der "Müll", den Borchardt hatte beiseite räumen lassen – mussten Khaled und die von ihm angestellten Arbeiter entfernen, bevor sie auf einen neuen Block aus der ehemaligen Mauer stießen. Dabei zeigte sich auch, dass die Archäologen vor gut 100 Jahren ihre Aufmerksamkeit mehr auf das große Ganze, weniger auf die Details gerichtet hatten. "Wir haben in dem Abraum viele bedeutende Fundstücke entdeckt", erklärt Khaled, darunter eine kleine hölzerne Statue, Vasen und Amphoren und Abbruchstücke von verzierten Mauersteinen, die heute in Berlin im Neuen Museum auf der Museumsinsel zu sehen sind.

Der Lohn der Mühe

Dementsprechend sorgfältig ist das jetzige Grabungsteam vorgegangen. "Wir mussten jede Schaufelladung genau untersuchen", sagt der Ägyptologe. Der Einsatz von schwerem Gerät, etwa einem Bagger, habe sich deshalb verboten. Und dementsprechend lange dauerten diese eigentlich nur vorbereitenden Arbeiten: "Es hat ein Jahr gedauert, diesen Berg abzutransportieren." Die penible Vorgehensweise hat sich gelohnt: Neben den Fundstücken stießen Khaled und sein Team auch auf die Überreste von vier kleinen Häusern in direkter Nachbarschaft zu den Tempeln. "Man sieht noch die ehemalige Küche mit den Ascheresten an der Kochstelle", schwärmt er. Khaled zufolge haben mit hoher Wahrscheinlichkeit Priester in der griechisch-römischen Zeit die Häuser bewohnt – ein Zeitraum, der sich von 332 vor unserer Zeitrechnung bis 395 unserer Zeit erstreckt.

Etwa drei mal zwei Meter groß ist das erste Mauerstück, das das Grabungsteam in den kommenden Wochen freilegen will. Von den Reliefszenen und begleitenden Hieroglpyhentexten erwartet der Forscher neue Einblicke in die Herrschaftsstruktur des alten Ägyptens. "Der frühe ägyptische Staat kann als stark zentralisierter, komplexer politischer und kultureller Organismus aufgefasst werden mit dem König an der Spitze, dem seine engsten Vertrauten als hohe Beamte zur Seite standen", erklärt Khaled.

Versorgung von Pharao, Priester und Arbeiter

Königliche Domänen waren dafür verantwortlich, nicht nur den Pharao und seinen Hof mit Nahrung und anderen notwendigen Produkten zu versorgen, sondern beispielsweise auch die Arbeiter, die den Pyramidenkomplex bauten, die Priester und weiteres Kult- und Dienstpersonal. "Somit spielten die königlichen Domänen eine herausragende Rolle in der Ökonomie des Alten Reiches", so der Ägyptologe.

Von dem neu entdeckten Material erwarten die Wissenschafter nun Informationen, die neue Diskussionen über die Bedeutung der königlichen Domänen, ihre Funktion und Nutzungsdauer, ihre geografische Lage und ihre Position im System der Ökonomie des Alten Reiches anstoßen könnten. Darüber hinaus sind sie davon überzeugt, dass das Projekt einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der altägyptischen Ökonomie und seines administrativen Apparates insgesamt, also zu den Grundlagen der altägyptischen Hochkultur selbst, leisten kann. (red, 16.10.2018)