Paris – Beim regierenden Weltmeister droht dem Ex der nächste unangenehme Abend. Deutschlands Fußballer müssen sich am Dienstagabend (20.45 Uhr, live ARD) nach dem bitteren 0:3 in den Niederlanden im nächsten Nations-League-Schlager Frankreich stellen. Im Stade de France geht es auch um die Zukunft von Joachim Löw. Bei einer weiteren Niederlage dürfte der deutschen Langzeitcoach mehr denn je zur Diskussion stehen. Außerdem droht dem DFB in diesem Fall der Abstieg in die B-Liga des neuen Wettbewerbs.
Die Kritiker wagen sich nach dem samstäglichen Auftritt in Amsterdam jedenfalls immer mehr aus der Deckung. So forderte Lothar Matthäus einen Torhüterwechsel. Marc-Andre ter Stegen solle anstelle des nach seiner Verletzung mit seiner Form kämpfenden Manuel Neuer im Tor stehen. Doch Löw wird auch diesmal auf den Bayern-Keeper setzen. Vor allem die Routiniers der Münchner stehen unter Beschuss. Ex-Teamspieler Olaf Thon titulierte die Vorstellung der Innenverteidiger Mats Hummels und Jerome Boateng als "Altherrenfußball." Letzterer wird diesmal wegen einer Wadenblessur fehlen und wohl durch seinen Vereinskollegen Niklas Süle ersetzt werden.
Zweifel
Der Absturz der noch vor wenigen Monaten als Favorit in die WM gestarteten DFB-Teams hat ungeahnte Fahrt aufgenommen. Die über lange Jahre beinahe selbstverständliche Souveränität der Mannschaft ist wie weggeblasen, auch der Bundestrainer selbst wirkte nach dem Spiel in Amsterdam angeschlagen. Trotz Löws Verdiensten wächst der Zweifel, ob der 58-Jährige den Neuaufbau hinbekommen wird.
An Rücktritt denkt Löw in der schwierigsten Phase seiner Amtszeit aber nicht. "Solche Gedanken mache ich mir jetzt wirklich nicht", sagte er am Montag dem ARD-Radio. "Ich bin jetzt schon lange in dem Geschäft dabei. Und ich habe auch schon einige Dinge überstanden. Ich kann das als Trainer einordnen." DFB-Präsident Reinhard Grindel habe ihm in einem persönlichen Gespräch erneut das Vertrauen ausgesprochen
Nabelschau
Beobachter interpretieren die Krise als Manifestation tieferliegender Defizite. "Löw hat eine Elf aus den Rasen der Johan-Cruyff-Arena geschickt, von der man spielerisch nicht viel erwarten konnte. Ein diesbezüglich eher mittelprächtiges Ensemble, das den Zustand des deutschen Fußballs dokumentiert. Für diesen ist Löw aber nur eingeschränkt verantwortlich", schreibt der Autor Dietrich Schulze-Marmeling auf Facebook. "Viele der Probleme, die in den letzten Wochen diskutiert wurden, wurden von Löw bereits nach der WM 2014 angesprochen. Nur wollte das damals niemand hören."
Dem Bundestrainer fehle es an qualitätsvollen Alternativen, so Schulze-Marmeling. Durchschlagskräftige Stürmer, Flügelspieler und kreative Kräfte im Mittelfeld seien Mangelware. Es müsse sich in der Nachwuchsausbildung etwas ändern, was aber über Nacht natürlich nicht zu machen sei.
Trotzdem wird Löw rotieren. Leroy Sane und Julian Draxler könnten beginnen, der formschwache Thomas Müller eine Pause erhalten. "Wir wollen mutig und mit Dynamik nach vorne spielen", sagte der Coach.
Deschamps: "Gegner nicht demoralisiert"
Im Hinspiel trennten sich die beiden Teams Anfang September in München mit einem 0:0. Frankreich führt die Gruppe I der Liga A derzeit mit vier Punkten vor den Niederlanden (3) und Deutschland (1) an. Teamchef Didier Deschamps: "Wir wollen gewinnen, um Gruppenerster zu werden." Respekt vor dem Gegner bleibt. "Es ist ein starkes Team, auch wenn es ein schlechtes Ergebnis in Holland eingefahren hat." Deschamps erwartet "keine demoralisierte Mannschaft".
Im Gegensatz zum 2:2 im Test am Donnerstag gegen Island wird der in Hochform befindliche Kylian Mbappe diesmal in der Startelf erwartet. Aus einem 0:2 hatten die Franzosen noch ein 2:2 gemacht, wobei Mbappe per Elfmeter der späte Ausgleich (90.) gelang. Deschamps bezeichnete den 19-Jährigen als Erfolgsgaranten: "Er hat Tempo und Präzision gebracht. Das hat uns gutgetan." (sid, red, 16.10.2018)
Nations League, Dienstag
Mögliche Aufstellungen:
Frankreich: Lloris (Tottenham, 31 Jahre, 105 Länderspiele) – Pavard (Stuttgart, 22, 15), Varane (Real, 25, 52), Kimpembe (PSG, 23, 4), Hernandez (Atletico, 22, 14) – Pogba (Manchester United, 25, 63), Kante (Chelsea, 27, 33) – Mbappe (PSG, 19, 25), Griezmann (Atletico, 27, 64), Matuidi (Juventus, 31, 74) – Giroud (Chelsea, 32, 84)
Deutschland: Neuer (Bayern, 32, 81) – Ginter (Mönchengladbach, 24/21), Süle (Bayern, 23, 13), Hummels (Bayern, 29, 68), Schulz (Hoffenheim, 25, 1) – Kimmich (Bayern, 23, 35) – Kroos (Real, 28, 89), Rudy (Schalke, 28, 26) – Draxler (PSG, 25, 48), Werner (Leipzig, 22, 20), Sane (Manchester City, 22, 14)
Schiedsrichter: Milorad Mazic (Serbien)