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Auch dieser Mikroorganismus, das Bärtierchen, ist in Gletscherregionen zu Hause. Hier eine Mikroskopaufnahme: Die Tiere werden nicht einmal einen Millimeter groß.

Foto: Picturedesk / Dennis Kunkel Microscopy

Wie stark die Gletscher im Sommer abschmelzen, ist auch davon abhängig, wie gut sie das einfallende Sonnenlicht reflektieren. Steine, Sand und Staubpartikel auf dem Eis heizen sich auf und beschleunigen die Schmelze. Doch nicht nur: Auch Mikroorganismen, die hier am Gletscher ein Auskommen finden, spielen eine Rolle. Ihr Effekt auf das Rückstrahlvermögen von Gletschern ist noch wenig erforscht. Dabei haben die Mikroben durchaus das Zeug, den Gletscherschwund zu beschleunigen.

Erstmals wird nun in einem Forschungsprojekt dieser Einfluss von Algen, Bakterien und Pilzen auf die Reflektivität, den sogenannten Albedo-Effekt, bei einem österreichischen Alpengletscher untersucht – ein Vorhaben, das unter anderem die Entnahme einer Vielzahl von Proben notwendig macht, um Partikel und Mikroorganismen zu klassifizieren.

Im Projekt "Black.Ice" gehen Schülergruppen auf den Gletscher, um dabei zu helfen. Damit soll den Kindern ein Gespür für Ökologie und wissenschaftliche Zusammenhänge vermittelt werden. Das Projekt wird im Rahmen des – mittlerweile eingestellten – Sparkling-Science-Programms des Wissenschaftsministeriums gefördert, das Schüler aktiv in den Forschungsprozess einbeziehen soll.

Diesen Sommer war Birgit Sattler, Projektleiterin und Gletscherforscherin am In stitut für Ökologie der Universität Innsbruck, gemeinsam mit 18 Schülern zwischen elf und dreizehn Jahren aus einer Schule in Reutte auf dem Jamtalferner in der Silvretta nahe Galtür in Tirol. Mit dabei waren auch ein Bergführer, Studierende und als Maskottchen ein riesengroßes gehäkeltes Bärtierchen – die realen Tiere werden kaum einen Millimeter groß. Gemeinsam wurden nicht nur Proben entnommen, sondern auch Gletscherabschnitte mit hoher Mikrobendichte vermessen.

"Mikroorganismen am Gletscher überleben durch individuelle Anpassung an die Kälte. Sie müssen fähig sein, die Gefrier- und Auftauzyklen auszuhalten", erklärt Sattler. Mikroben verfügen demnach etwa über spezielle "Gefrierschutzproteine", die auch bei tiefen Temperaturen das Zellinnere flüssig halten und vor Schädigungen bewahren. Höhere Organismen wie der Gletscherfloh verwenden dagegen Zucker oder Alkohole als "Frostschutzmittel". Dieselben Strategien findet man bei ähnlichen Organismen auch in den Polarregionen.

Vom Winde verweht

Woher kommen diese Gletscherbewohner? Die Antwort lautet: von überallher. Sie reisen mit dem Wind und sitzen beispielsweise auf Aerosolen, erklärt Sattler. "Manche der Organismen, die wir finden, haben ihren Ursprung in den Tropen und haben einfach ein sehr breites Toleranzspektrum, was Extremsituationen betrifft." Doch um ihren Stoffwechsel anzutreiben, benötigen die Mikroben auch am Gletscher flüssiges Wasser. Ist es dank Erderwärmung öfter und länger vorhanden, können sie sich besser vermehren und die Gletscher besiedeln.

Gleichzeitig haben die Organismen aber auch ein Interesse daran, ihre DNA vor der hohen UV-Strahlung in den Bergen zu schützen. "Algen bilden deshalb etwa eine sehr starke Pigmentierung als Sonnenschutz aus", betont Sattler. Damit wird die Gletscheroberfläche dunkler, mehr Wärmeenergie wird umgesetzt und die Schmelze gefördert. Damit ist wiederum mehr flüssiges Wasser für die Mikroben verfügbar, und ihr Wachstum beschleunigt sich.

Algen in ihrer Blütezeit können so die Rückstrahlfähigkeit der besiedelten Flächen um 30 bis 40 Prozent verringern, erklärt die Wissenschafterin. In welchem Maß der Effekt tatsächlich zur Gletscherschmelze beiträgt, ist aber noch unklar. "Den Bioalbedo-Effekt hat man lange Zeit schlicht nicht gesehen", sagt Sattler.

Laserstrahlen

Auf dem Jamtalferner, der sich auf 2400 bis weit über 3000 Meter Seehöhe erstreckt, werden regelmäßig Messungen zu Algenwachstum, Pigmentierung, chemischer Zusammensetzung und Biodiversität durchgeführt. Um auf den Bioalbedo-Effekt rückschließen zu können, kommt unter anderem eine Messmethode zum Einsatz, die sich am Prinzip der laserinduzierten Fluoreszenz bedient.

Per Laserstrahl werden dabei die Pigmentmoleküle angeregt, sodass sie ein messbares Lichtsignal abgeben. "Es gibt keinen homogenen Bewuchs der Gletscher, die Organismen sind sehr unregelmäßig verteilt", erklärt Sattler.

Auch die Proben, die beim zweitägigen Ausflug von den Kindern aus Reutte entnommen wurden, fließen letztendlich in die Modelle ein, die Klima und Ökologie der Alpen besser beschreiben sollen. Nach einer längeren Einführungsphase an den Schulen und dem Event auf dem Jamtalferner werden die Schülerinnen und Schüler noch im Herbst Gelegenheit bekommen, "ihre" Proben im Universitätslabor zu bearbeiten und unter dem Mikroskop zu untersuchen.

Dabei geht es nicht nur um eine Vermittlung wissenschaftlicher Methoden oder ökologischer Zusammenhänge. Sattler: "Es ist wichtig, dass die Kinder lernen, wie eng ihr Leben mit dem alpinen Lebensraum verknüpft ist. Und es geht darum, bei ihnen ein Verantwortungsgefühl für diesen Lebensraum aufzubauen." (Alois Pumhösel, 21.10.2018)