Ein Untoter – zumindest wenn es nach dem Aberglauben der Menschen vor 1.500 Jahren geht.
Foto: David Pickel/Stanford University

Dass Verstorbene ihren Gräbern entsteigen und unter den Lebenden Unheil stiften, ist eine Angst, die vermutlich so alt ist wie die Menschheit selbst. Schon in Mesopotamien spielte vor über 4.000 Jahren die Furcht vor Wiedergängern, die nicht ordentlich begraben wurden oder eines unnatürlichen Todes starben, eine große Rolle. Auch im römischen Imperium kannte man derartige Mythen. Einen konkreten Beweis für diesen Aberglauben haben nun Archäologen im italienischen Umbrien freigelegt.

1987 stießen Wissenschafter bei Ausgrabungen einer römischen Villa aus dem ersten Jahrhundert nahe Lugnano auf einen ungewöhnlichen Friedhof: Die rund 50 dort beigesetzten Toten waren ausschließlich Föten, Babys oder Kleinkinder. Weitere Untersuchungen ergaben, dass es sich bei den Verstorbenen der "Necropoli dei Bambini" höchstwahrscheinlich um die Opfer einer Malariaepidemie handelte, die etwa rund um die Mitte des fünften Jahrhunderts stattgefunden hat.

Merkwürdige Unterschiede

So seltsam der Friedhof für sich genommen schon ist, ein nun auf dem Areal entdecktes Grab unterscheidet sich deutlich von den übrigen und erwies sich bei näherer Betrachtung als noch merkwürdiger: Wie ein Team um David Soren von der University of Arizona und David Pickel von der Stanford University berichtet, gehörten die Gebeine zu einem auf der Seite liegenden etwa zehn Jahre alten Kind, während die anderen Beigesetzten zum Zeitpunkt ihres Todes höchstens drei Jahre alt waren.

Der Stein im Mund des zehnjährigen Kindes sollte es am Entsteigen des Grabes hindern.
Foto: David Pickel/Stanford University

Speziell ist aber nicht nur das vergleichsweise höhere Alter, sondern vor allem, dass die Forscher im Mund des oder der Zehnjährigen (das Geschlecht konnte noch nicht bestimmt werden) einen großen Stein entdeckten, der dort offenbar im Rahmen des Begräbnisrituals platziert worden war. Für die Archäologen sind derartigen Praktiken keineswegs neu: Sie kennen ein solches Vorgehen als "Vampirbestattung", die gemäß dem Glauben der damaligen Bevölkerung verhindern sollte, dass die Toten zurückkommen und die Lebenden heimsuchen.

Angst vor Malaria

Im konkreten Fall hatten die Menschen vermutlich Angst, dass sie von dem potenziellen Wiedergänger mit Malaria angesteckt werden. "Ich habe etwas derartiges noch nie zuvor gesehen", erklärt Soren. "Das ist äußerst schauerlich und seltsam." Dass der Untoten-Aberglauben nicht nur etwas Historisches ist, zeigt die Reaktion der Bewohner der Gegend: Sie sprechen seit dem Fund vom "Vampir von Lugnano", wie die Wissenschafter berichten.

Das Kind starb vermutlich wie viele der anderen in der "Necropoli dei Bambini" an den Folgen der Malaria.
Foto: David Pickel/Stanford University

Wenn auch der eindringlichste, so war der Stein im Mund des Kindes jedoch nicht der einzige Fund in der "Necropoli dei Bambini", der auf magische Praktiken hindeutet. In anderen Kindergräbern hatten die Archäologen Rabenkrallen, die Reste geopferter Hundewelpen oder Krötenknochen gefunden. Ein dreijähriges Mädchen war sogar mit Steinen auf den Händen und Füßen beigesetzt worden – vermutlich ebenso um zu verhindern, dass es zur Wiedergängerin wird.

"Wir wissen, dass die Römer große Angst vor wiederkehrenden Toten hatten, so sehr nämlich, dass sie auch Zauberei dazu nutzten, um das Böse unter der Erde zu halten", meint Soren. In diesem Fall dürfte es sich bei dem "Bösen" um eine tödliche Malariavariante handeln. Der endgültige DNA-Beweis dafür sei zwar noch nicht erbracht, doch die Untersuchung der Knochen einiger der Beigesetzten spricht nach Ansicht der Wissenschafter eindeutig dafür. (tberg, 16.10.2018)