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Shorat Zakir ist Gouverneur des "Uigurischen Autonomen Gebiets Xinjiang", dem ehemaligen Ostturkestan im Nordwesten Chinas. Seit 1949 wird es von China regiert.

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Überwachung und Kontrollen gehören in dem Gebiet zur Tagesordnung.

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Zum ersten Mal äußerte sich ein hochrangiger Beamter des chinesischen Staates zu den Umerziehungslagern in der Unruheprovinz Xinjiang, die in den vergangenen Monaten für internationale Kritik gesorgt hatten.

Bis zu eine Million Angehörige der muslimischen Minderheit der Uiguren seien in solchen Lagern im Nordwesten Chinas interniert, hat davor etwa ein Bericht der Uno Ende August festgestellt. Auch Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder der Weltkongress der Uiguren mit Sitz in München kritisieren, dass die Betroffenen dort über einen langen Zeitraum ohne jegliche Anklage festgehalten würden. In den Lagern würde es zu Folter, Misshandlungen und Indoktrination kommen. Der Präsident des Weltkongresses, Dolka Isa, nannte die Lager gegenüber dem STANDARD "Konzentrationslager".

"Berufsbildungs- und Trainingsprogramm"

Der Gouverneur von Xinjiang, Shorat Zakir, bezeichnete die Lager in einem am Dienstag veröffentlichten Interview als "kostenlose Berufsbildung". Und zwar ziele das "Berufsbildungs- und Trainingsprogramm" auf jene ab, die von Terrorismus und Extremismus beeinflusst worden seien, sich aber nur kleinerer Vergehen schuldig gemacht hätten und somit nicht strafrechtlich belangt werden müssten.

Das Programm soll dazu beitragen, "das Klima und den Boden zu beseitigen, auf dem Terrorismus und religiöser Extremismus wachsen und terroristische Aktivitäten passieren", sagte er zur staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Die Insassen lernten "die gemeinsame Sprache des Landes", also Mandarin-Chinesisch, sowie Recht und Gesetz. Bevor sie Unterricht, "Unterkunft" und praktisches Training bekämen, unterzeichneten sie einen Vertrag. Am Ende stehe eine Abschlussprüfung.

Viele der Betroffenen hätten aus "religiöser Disziplin" oder "Familiendisziplin" gehandelt, die von Extremisten verzerrt worden seien, erklärt Zakir weiter. Viele hätten durch das "Training" erkannt, dass sie "in erster Linie Bürger der Nation" seien.

Es gebe auch schon große Fortschritte. Der Gouverneur zitiert in dem Interview nicht näher genannte "Trainees". Einer von ihnen soll gesagt haben: "Ich habe weder die gemeinsame Sprache des Landes verstanden, noch habe ich über die Gesetze Bescheid gewusst. Ich wusste nicht einmal, dass ich Fehler gemacht habe. Aber die Regierung hat mich nicht aufgegeben. Sie hat mich aktiv gerettet und unterstützt, hat mir kostenlos Essen, Unterkunft und Bildung gegeben. Jetzt habe ich großen Fortschritt gemacht. Ich werde diese Chance schätzen und eine nützliche Person für das Land und die Gesellschaft werden."

Extremismus und Propaganda

In den vergangenen Jahren hatten extremistische Aktivitäten von Uiguren zugenommen. Im syrischen Idlib haben sich einige Tausend Uiguren Jihadisten angeschlossen. Auch in Afghanistan machen uigurische Terrorgruppierungen gemeinsame Sache mit den Taliban. In Xinjiang selbst ist es 2009 zu schweren Unruhen in der Region gekommen, bei denen 200 Menschen getötet wurden. In den darauffolgenden Jahren gab es in China immer wieder terroristisch motivierte Angriffe.

Uiguren werfen dem chinesischen Staat vor, sie zu unterdrücken. So könnten sie etwa ihre Religion nicht frei ausüben. Vor allem seit 2009 greift die Regierung in der Region hart durch. Sie sammelt großflächig biometrische Daten, was Xinjiang die Bezeichnung "DNA-Versuchslabor" eingebracht hat. In der Region soll es bis zu 7.300 Polizeistationen geben, Reisepässe der Bewohner wurden konfisziert. Und über die Jahre wurden immer mehr der umstrittenen Umerziehungslager errichtet.

Lager nachträglich legalisiert

Weil die internationale Kritik an den Berichten über die Lager nicht abreißen wollte, versucht China die Lager nun nachträglich zu legalisieren. Vergangenen Woche verabschiedete die Regierung ein dementsprechendes Gesetz. Die Gesetzesänderung erlaubt Behörden nun, als extremistisch eingestufte Personen in Trainingszentren "zu erziehen und zu transformieren".

Zakir ging in dem Interview nicht darauf ein, wie viele Personen in solchen Lagern festgehalten würden. Er sagte aber, dass Ende des Jahres die ersten "Absolventen" mit dem "Training" fertig werden. (Anna Sawerthal, APA, 17.10.2018)