EU-Ratspräsident Donald Tusk will "May fragen, ob sie konkrete Vorschläge hat, wie man aus der Sackgasse herauskommen könnte". Dies könnte ausschlaggebend sein, "ob es zu einem Durchbruch kommen kann oder nicht".

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Brüssel – EU-Ratspräsident Donald Tusk hat Dienstagnachmittag beim Sozialpartnergipfel die britische Premierministerin Theresa May aufgefordert, beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs am Mittwoch "konkrete Vorschläge" vorzulegen, "wie man aus der Sackgasse herauskommen könnte". Der jüngste Bericht von EU-Chefverhandler Michel Barnier habe "keinen Anlass zum Optimismus gegeben".

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Der Sozialgipfel finde angesichts der Brexit-Gespräche zu einem kritischen Zeitpunkt statt. Leider habe er von Barnier keine Berichte vernommen, die optimistisch wären. "So wie ich es sehe, sind die Aussichten auf einen Deal abhängig von der Entschlossenheit auf beiden Seiten, dem guten Willen, aber es braucht auch neue Fakten." Deswegen "werde ich morgen May fragen, ob sie konkrete Vorschläge hat, wie man aus der Sackgasse herauskommen könnte". Dies könnte dafür ausschlaggebend sein, "ob es zu einem Durchbruch kommen kann oder nicht".

Jedenfalls werde die EU auch dafür "sorgen, dass wir gerüstet sind, wenn es nicht zu einer Einigung kommen sollte. Oder für den Fall, dass der Vorschlag abgelehnt wird. Morgen werden wir diskutieren, wie wir die Vorbereitungen verstärken könnten, wenn es nicht zu einem Deal kommt", so Tusk.

Brexit ohne Abkommen "wahrscheinlicher denn je"

Tusk wiederholte am Dienstag, dass ein Brexit ohne Abkommen "wahrscheinlicher denn je" sei. Er und auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker machten aber deutlich, dass die EU jetzt noch nicht aufgeben wolle. "Ich hätte gern ein Abkommen, denn kein Abkommen heißt: Katastrophe", sagte Juncker. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte die Brexit-Verhandlungen eine "Quadratur des Kreises".

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der derzeit den Vorsitz der EU-Länder führt, will nach eigenen Worten ebenfalls alles tun, um ein ungeregeltes Ausscheiden Großbritanniens im März zu verhindern. "Denn ein 'Hard Brexit' wäre nicht nur zum Schaden von Großbritannien, sondern auch zum Schaden von uns in der Europäischen Union", sagte Kurz. "Ich glaube, dass wir da erfolgreich sein werden. Ich bin zumindest ein Optimist." Kurz kann sich auch vorstellen, länger zu verhandeln. "Ein paar Wochen sind nicht entscheidend."

Dezember als Deadline

Laut Barnier müsse man sich allerdings bis spätestens Dezember auf ein Austrittsabkommen einigen, um einen ungeordneten Brexit noch zu vermeiden. Dezember sei die "endgültige Deadline", sagte Barnier nach Teilnehmerangaben bei einem Treffen europäischer Minister am Dienstag in Luxemburg. Gelinge dies nicht, bleibe nicht genug Zeit für die nötigen Ratifizierungen durch das Parlament in London und das Europäische Parlament vor dem Austrittsdatum 29. März.

Einem Medienbericht zufolge zeigte sich Barnier zugleich allerdings offen für eine Verlängerung der Brexit-Übergangsphase um ein Jahr. Die "Financial Times" berichtete am Dienstag unter Berufung auf EU-Diplomaten, eine Verlängerung werde als Gegenleistung für ein Entgegenkommen der britischen Premierministerin May im Bemühen um eine Vermeidung einer Grenze in Nordirland erwogen.

Umstrittene Grenzfrage

Trotz intensiver Verhandlungen waren Barnier und der britische Brexit-Minister Dominic Raab am Sonntag ohne Einigung auseinandergegangen. Die wichtigste Hürde ist immer noch die Frage, wie Kontrollen an der künftigen EU-Außengrenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland vermieden werden können. Tusk erklärte, er sehe in der Nordirland-Frage "einen neuen gordischen Knoten, der durchschlagen werden müsste. Aber ich sehe keinen Alexander den Großen oder ähnliche Helden".

Irland selbst erwartet beim EU-Gipfel am Mittwoch noch keinen Durchbruch. "Es ist unwahrscheinlich, dass morgen viel vereinbart wird", sagte Außenminister Simon Coveney am Dienstag in Luxemburg. Irland sei aber zuversichtlich, dass noch ein Deal mit Großbritannien möglich sei.

Auch Irlands Ministerpräsident Leo Varadkar sieht noch Klärungsbedarf. Es falle noch einige Arbeit an, was die Regelung des Personen- und Warenverkehrs an der irisch-nordirischen Grenze nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union angehe, sagte Varadkar am Dienstag im Parlament in Dublin. (APA, red, 16.10.2018)