Klosterneuburg – Nicht nur die Abfolge der Nukleotide in der DNA ist relevant, auch die Koordination, wann Gene ein- und ausgeschaltet werden, spielt eine bedeutende Rolle. Tatsächlich ist es dieser Prozess, die so genannte Regulation der Genexpression, der das Leben letztendlich definiert. Es erlaubt den Organismen, auf ihre Umgebung zu reagieren, anstatt statische Automaten zu sein.

Da selbst die kleinsten Organismen wie Bakterien viele Gene haben, wird die Koordination ihrer Expression durch einen speziellen Satz von Proteinen vorgenommen, die bestimmte Stellen in der DNA binden (sogenannte Promotoren), um Gene ein- oder auszuschalten. Derartige genregulatorische Netzwerke sind aufwendig abgestimmt, wie also können sie sich entwickeln und verändern? Nun hat ein Forscherteam um Claudia Igler und Calin Guet vom Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneuburg entdeckt, wie sich individuelle regulatorische Verbindungen im Laufe der Zeit verändern können.

Normalerweise werden genregulatorische Netzwerke auf globaler Ebene untersucht, wobei Forscher versuchen zu verstehen, wie die Eigenschaften des Netzwerks als Ganzes seine Entwicklung bestimmen. Igler und ihre Kollegen haben sich jedoch entschieden, die Netzwerkentwicklung aus der lokalen Perspektive zu untersuchen, um zu verstehen, wie sich Verbindungen im Netzwerk verändern. Dazu verwendeten sie zwei DNA-bindende Proteine und die dazugehörigen Promotoren. Diese Proteine werden als "Repressoren" bezeichnet, da ihre Bindung an die DNA die Genexpression hemmt.

Starr oder flexibel

Die Forscher führten dann Mutationen in die Promotoren ein und beobachteten, wie sich diese Veränderungen auf die Bindung von Repressoren auswirkten. Repressoren können auf Veränderungen auf zwei Arten reagieren, sagt Igler: "Ein Repressor kann robust sein, was bedeutet, dass Mutationen ihn nicht stark beeinflussen, da er trotz der Mutationen an dem Promotor gebunden bleibt. Alternativ kann ein Repressor evolvierbar sein, was bedeutet, dass er leicht auf Mutationen reagiert, indem er Bindung an neue Promotoren erwirbt. Diese beiden Reaktionen auf Mutationen scheinen sich per Definition gegenseitig auszuschließen – ein Protein, das robuster gegenüber Mutationen ist, sollte weniger auf Mutationen reagieren und daher weniger entwickelbar sein!"

Aber, wie so oft, steckt die Biologie voller Überraschungen. Im Vergleich zwischen den beiden untersuchten Repressoren fanden die Forscher heraus, dass der robustere Repressor leichter an neue Promotoren band.

Promiskuitive Repressoren

Durch die Entwicklung eines biophysikalischen Modells, das auf der Thermodynamik der Protein-DNA-Bindung basiert, konnten die Wissenschafter nicht nur ihre überraschenden Beobachtungen erklären, sondern auch ihre Ergebnisse verallgemeinern, wie Igler beschreibt: "Wie Repressoren auf Mutationen in ihren Bindungsstellen reagieren, gibt Aufschluss darüber, wie sie innerhalb des regulatorischen Netzwerks funktionieren können."

Eine Gruppe von sogenannten lokalen Repressoren seien demnach sehr spezifisch – sie binden nur an eine Handvoll Promotoren und erwerben nicht leicht eine neue Bindung. Eine weitere Gruppe von Repressoren, die globalen, ist laut der im Fachjournal "Nature Ecology and Evolution" veröffentlichten Studie dagegen promiskuitiv und bindet auch bei starker Mutation an ihren Promotor, während sie gleichzeitig leicht an neuen Stellen binden." (red, 17.10.2018)