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Die Achillesferse der beiden Koalitionschefs Luigi Di Maio und Matteo Salvini sind die Finanzmärkte.

Foto: REUTERS/Tony Gentile/File Photo

Seit gut 15 Jahren schlagen sich die EU und die Eurozone mit der Frage herum, wie sie ihre Budgetregeln gegenüber Staaten durchsetzen können, die viel staatliche Souveränität behalten haben. Strafen wurden auf dem Papier beschlossen, wieder verwässert und – als Folge der Euroschuldenkrise – wieder verschärft.

Bisher hat Brüssel bei übermäßigen Defiziten immer ein bis zwei Augen zugedrückt, den Staaten mehr Zeit gegeben und Ausflüchte akzeptiert. Doch nun steht ihr der härteste Test bevor: Die Regierung in Rom hat einen Haushalt eingereicht, der von den vereinbarten Defizitzielen massiv abweicht – und dies in voller Absicht. Die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega suchen den Streit mit der EU, denn sie wollen ihr die Grenzen der Macht aufzeigen. Bei diesem Konflikt geht es daher nicht nur um Budgetzahlen, sondern auch um die Zukunft Europas.

Wer dabei die besseren Karten in der Hand hat, ist unklar. Aus ökonomischer Sicht ist das italienische Budget verunglückt. Der Staat hat bereits Schulden von 2,3 Billionen Euro – oder 132 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die zweithöchste Quote in der EU nach Griechenland. Eine Neuverschuldung von 2,4 Prozent, wie sie die Regierung für 2019 plant, lässt diesen Berg weiter wachsen. Die Konjunktur wird dadurch kaum angekurbelt. Denn Italiens wahre Probleme sind strukturelle Schwächen, die durch die geplante Senkung des Pensionsantrittsalters und die Einführung einer Mindestsicherung vor allem für den armen Süden sogar noch verschärft werden.

Aber die großzügigen Ausgaben- und Steuersenkungspläne sind populär. Und wenn wie erwartet die EU-Kommission das Budget ablehnt, kann die Regierung mit breiter Unterstützung in der Bevölkerung rechnen. Sie macht auch jetzt schon die EU – fälschlicherweise – für die wirtschaftliche Misere verantwortlich. Was dann? Die Milliardenstrafen, die bei groben Verstößen in der Eurozone eigentlich vorgesehen sind, werden sicher nicht verhängt – auch weil Italien dann seine Zahlungen an den EU-Haushalt einstellen würde.

Finanzmärkte

Die Achillesferse der beiden Koalitionschefs Luigi Di Maio und Matteo Salvini sind die Finanzmärkte. Italien braucht Monat für Monat Milliarden an neuen Krediten, und die Investoren sind immer weniger dazu bereit. Die Zinsen haben sich dadurch seit dem Frühjahr auf rund 3,5 Prozent verdoppelt. Das belastet auch die Banken, die unzählige Staatsanleihen in ihren Büchern haben. Würden die Zinsen – wie 2011 – über sieben Prozent klettern, wären viele italienische Banken genauso wie der Staat wohl pleite.

Die EU-Kommission wäre daher gut beraten, den Ball flach zu halten und Rom möglichst wenig politische Angriffsfläche zu bieten. Die Regierung ist von ihren ersten Plänen ohnehin schon abgewichen und hat den Defizitpfad entschärft. Steigt die Nervosität an den Finanzmärkten an, werden zusätzliche Kompromisse unvermeidbar.

Aber gleichzeitig müssen die Europäische Zentralbank, die EU-Kommission und die Europartnerstaaten klarmachen, dass Italien für eine mutwillig herbeigeführte Schuldenkrise keine Finanzhilfe zu erwarten hat. Das ist auch wirtschaftlich zulässig: Anders als Griechenland kann sich das Land aus eigener Kraft finanzieren.

Die große finanzielle und politische Italien-Krise, die derzeit viele für Europa voraussagen, lässt sich abwenden – vorausgesetzt, die Regierung in Rom bewahrt ein wenig Vernunft. (Eric Frey, 16.10.2018)