Hinter den Türen des BVT warten interne Whatsapp-Gruppen mit chinesischen Nacktbildern.

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An Selbstbewusstsein mangelt es Ria-Ursula P. nicht: Die ehemalige BVT-Mitarbeiterin nutzt ihren Auftritt vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss gleich einmal, um Abgeordnete zurechtzuweisen ("Vertuschungsausschuss") und wiederholt ihre Kompetenzen als Wirtschaftspsychologin hervorzukehren. Dafür mangelt es ihr an Beweisen und konkreten Tatvorwürfen. Wie schon bei ihrer Aussage vor der Staatsanwaltschaft gibt P. vor allem "Flurfunk" und "Hörensagen" wieder.

Die beiden ehemaligen BVT-Mitarbeiter haben bei der Justiz auf Missstände in ihrem Amt aufmerksam gemacht – aufgrund ihrer Aussagen ist es schließlich zur Hausdurchsuchung im BVT gekommen.
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Dabei ist P. eine von vier entscheidenden Zeugen, deren Aussagen Mitte Februar die Hausdurchsuchung im Verfassungsschutz ausgelöst hatten – auf Vermittlung vom Kabinett des Innenministers Herbert Kickl. "Zufällig" traf P. Anfang Jänner H., einen weiteren Belastungszeugen in spe, der ihr den Kontakt zu Kickls Kabinettsmitarbeiter Udo Lett vermittelte. Dann folgte ein Kaffeehaustermin mit Lett, später ein Gespräch mit Kickl selbst, Generalsekretär Goldgruber und erneut Lett, der P. dann zu ihrer Aussage bei der Staatsanwaltschaft begleitete.

"Bambi-Meat"

Was sie am BVT gestört habe? Etwa, dass der Nachrichtendienstleiter B. P. so schlecht Englisch gesprochen und Rehbraten mit "Bambi-Meat" übersetzt habe. Oder dass sie an ihrem Arbeitsplatz Radio Niederösterreich mithören musste, weshalb sie sich nicht konzentrieren konnte.

Allerdings liefert P. durchaus glaubwürdige Hinweise auf eine teilweise niveauarme, sexistische Atmosphäre in ihrem Referat. So legt sie eine Mappe vor, in der pornografische Whatsapp-Nachrichten gesammelt wurden. Die Mappe hat sie vor den Abgeordneten frühmorgens schon der "Kronen Zeitung" überreicht, sie zeigt Nachrichten ihrer Exkollegen, die "drei Chinakracher" haben wollten – gemeint sind drei dazu abgebildete nackte Chinesinnen.

Am frühen Nachmittag folgte dann der zweite Belastungszeuge W., den viele als Urheber des Konvoluts, das mit Vorwürfen gegen Beamte vollgefüllt ist, vermuten und das die Ermittlungen gegen den Verfassungsschutz ausgelöst hat. W. bestreitet das vehement. Er ist momentan genau wie P. in Karenz, bis März war er zuerst im Krankenstand, dann bei der Generaldirektorin für Öffentliche Sicherheit. Davor war W. Leiter der Abteilung 2 im BVT, die für Ermittlungen im Staatsschutz zuständig ist.

Gespräche mit dem Kabinett Kickl habe es nur wegen seines Wunsches nach einer Karenzierung gegeben, sagt W. vor dem U-Ausschuss. Allerdings sei es dabei schon kurz um das Konvolut und Vorgänge im BVT gegangen. Ein Treffen mit Goldgruber und Lett dauerte rund drei Stunden.

Nichtgelöschte Daten

Aber genau wie P. kann auch W. keine konkreten strafrechtlichen Vorgänge benennen. Ins Strudeln geriet er bei Fragen nach dem FPÖ-Politiker Udo Landbauer, der wegen der Liederbuchaffäre temporär zurücktreten musste.

W. gab an, Landbauer nur "vom Sehen" zu kennen, aber keinen persönlichen Kontakt mit ihm zu haben. Er habe sich jedoch "gewundert", dass die Liederbuchaffäre "aufploppte", obwohl er selbst "keinen Ermittlungsauftrag" gegeben hatte.

W. ging auch auf Vorwürfe der Datennichtlöschung ein. Dabei stehen vor allem Informationen über Aktivitäten des Wiener Rechtsanwalts Gabriel Lansky im Zentrum, der als dritter Zeuge am Dienstag vor dem U-Ausschuss erscheinen musste. Lansky geriet im Zuge der Causa Alijew ins Visier des Verfassungsschutzes. Dem ehemaligen kasachischen Botschafter in Österreich war vorgeworfen worden, in seiner Heimat zwei Banker ermordet zu haben. Zum Prozess kam es nie, weil Alijew in U-Haft verstarb. Lansky vertrat die Witwen der Banker, ihm wurde vorgeworfen, mit dem kasachischen Geheimdienst zusammengearbeitet zu haben.

Im Zuge der dazugehörigen Ermittlungen sammelte das BVT Daten, wobei ein USB-Stick eines ehemaligen Vertragspartners von Lansky eine große Rolle spielt. Dieser hatte für Lansky einen Server in Luxemburg betrieben und nach einem Streit mit Lansky begonnen, dessen Daten per USB-Stick an Medien und Behörden zu schicken.

Dauerentschlagung

Um diesen USB-Stick soll es bei den Ermittlungen gegen BVT-Beamte gehen, wobei das selbst für Abgeordnete noch unklar ist. Auch die Staatsanwältin wusste etwa zum Zeitpunkt der Razzia nicht, dass ein Urteil in der zweiten Instanz nur ein "Verwertungsverbot", nicht aber ein "Löschungsgebot" der Daten vorsah.

Wegen Gerüchten über die unerlaubte Speicherung seiner Datensätze, die in dem Konvolut verbreitet wurden, nahm Lansky Kontakt zur Staatsanwaltschaft und zum Generalsekretär Peter Goldgruber auf. Lansky selbst machte vor dem U-Ausschuss ausgiebig von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch, er kritisierte in einem einleitenden Statement allerdings die "kafkaeske" Situation, dass gerade durch den Ausschuss nun erst recht Daten seiner Mandanten im Umlauf seien.

Über Lanskys Aussageverweigerung gab es heftige Debatten. Die Fraktionsführer zogen sich eine halbe Stunde zu Beratungen zurück, entschieden sich dann aber, weiter zu fragen. Selten gab Lansky Antworten, meist machte er zum Unmut der Abgeordneten von seinem Recht auf Entschlagung Gebrauch. (Fabian Schmid, Maria Sterkl, 16.10.2018)