Andrea Cipriano kocht, Carmela Bisogno schupft den Service: In der Aegidigasse duftet es jetzt nach Meer.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Fregola alla marinara mit gerade eben geöffneten Muscheln und Scampi-Stücken.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Andrea Cipriano hat schon im Taubenkobel und bei Filippou gewerkt, dann die Rundbar in der Lindengasse zur bemerkenswerten Adresse hochgekocht und zuletzt die Performance der Wiener Edelitaliener Melograno und La No' (Dorotheergasse) aufpoliert. Der Mann aus Grado weiß, wie man kocht. Jetzt war die Zeit reif für ein eigenes Ristorante. Dass seine Frau Carmela Erfahrung im Service hat und gut Deutsch spricht, hat die Entscheidung keineswegs erschwert.

Seit ein paar Wochen hat das Cucina Cipriano in der gastronomisch bislang eher verlassen wirkenden Aegidigasse in unmittelbarer Gürtelnähe geöffnet. Wobei – Fabian Günzel geht mit seinem Fine-Dining-Schuppen Aend in der Mollardgasse quasi als Nachbar durch. Das wär doch was: Am Ende entsteht ausgerechnet in dieser entrischen Gegend Wiens Kreativcluster für hochambitionierte Lokale. Wäre mehr als skurril, andererseits: Irgendwo sollte auch eine gastronomisch strukturkonservative Stadt wie Wien solche Horte hochqualifizierten Wagnisses tolerieren können.

Lust anheizen

Die Küche des neuen Ristorante ist nicht traditionell, fußt aber explizit in den Herkunftsregionen ihrer Betreiber. "Nächste Woche kommt die Schwiegermutter", sagt Cipriano, "um mir die eine oder andere Technik beizubringen, wie in Süditalien mit Fisch, aber auch mit Pasta umgegangen wird." Die junge Familie unterhält jedenfalls beste Verbindungen zu einem Fischhändler, der den Weg vom großen Fischmarkt in Chioggia über (eher: durch) die Alpen gleich mehrmals die Woche auf sich nimmt.

Zum Aperitif empfehlen sich vor Ort geröstete Salzmandeln mit mediterranen Kräutern oder köstlich frittierte Pasta soffiata, die man in einen Tiegel Sugo all'arrabiata tunkt – Vorsicht, heizt die Lust auf ein zweites Glas Franciacorta oder Americano sehr effektiv an! Aber auch lange Salzsardellen aus Grado mit luftig getoastetem Brioche und pfeffriger Butter oder Baccalà mantecato – betörend aromatische Stockfischcreme mit ofengebratenen Roten Rüben – helfen dem Appetit auf die Sprünge.

Crudo di crostacei

Roh marinierten Fisch und Meeresfrüchte gibt es je nach Angebot, an diesem Abend waren süßfleischige, für das Mittelmeer erstaunlich lange Messermuscheln drauf, grob gehackter und mild marinierter Adlerfisch (Ombrina) von seidig zarter Konsistenz sowie drei der berühmt rotfärbigen, sizilianischen Mazera-Garnelen – Kopf inklusive. Nur wer der Versuchung nicht widersteht, diesen wie gewohnt genüsslich auszusaugen, um an die wirklich konzentrierten Meeresaromen zu kommen, wird daran erinnert, dass Wien jenseits der Alpen liegt.

Rotbarbenfilets werden als Luxusfischstäbchen der mediterranen Art aufgetragen: krachknusprig frittiert, mit zarter Peperoni-Creme, gegrillter Paprika und einem Klacks Mayonnaise – Comfort-Food, wie gemacht für milde Herbsttage.

Krustentier-Bisque erfreut mit gefühlvoll konzentriertem Meeresfrüchtearoma, dicht, aber keineswegs wuchtig, mit drei seidig festen Garnelen-Wantans als Einlage: wirklich gut. Der Adlerfisch im Ganzen vom Nebentisch ist leider der letzte vorrätige an diesem Abend, er sieht aber ideal saftig gegart aus und wird von dem italienischen Pärchen binnen weniger Minuten weggeputzt. Die Fregola alla marinara mit gerade eben geöffneten Muscheln und Scampi-Stücken (siehe Bild) gerät aber zum fast würdigen Ersatz. Die Preise haben eindeutig Innenstadtniveau, aber das ist im Aend nicht anders. (Severin Corti, RONDO, 19.10.2018)

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Cucina Cipriano
Aegidigasse 15
1060 Wien
Tel.: 0660/164 76 08
Mo 17.30-22.30, Di-Sa 12-15 u. 17.30-22.30
VS € 10,20-22,50, HS € 17,90-24