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Gastierte mit Liedern aus Lateinamerika im Konzerthaus: Juan Diego Flórez.

Foto: AP/Sergei Chirikov

Wien – Die Klassik ist eine strenge Herrin. Ganz brav muss man sein, wenn man mit ihr zu tun hat, ruhig, still und konzentriert. Da ist es mit der leichten Muse angenehmer. Sie ist die Gefühlshaushaltshilfe der unkomplizierten, leicht verfügbaren Art, verarztet jedes Herzeleid verlässlich in drei Minuten. Und man kann mit ihr sogar ein Tänzchen wagen oder ein Lied singen.

Der praktizierende Operntenor Juan Diego Flórez hatte, man glaubt es kaum, ein leichtmusikalisches Vorleben. Als Jugendlicher ist er mit gern mit Gitarre und Freunden ans Meer gefahren und hat dort dies und das gesungen. Von seiner Mutter, die in Lima eine Bar schupfte, wurde der talentierte Sohnemann schon früh als Ersatz engagiert, wenn ein Sänger kurzfristig abgesagt hatte. Und mit Papa Rubén hat Juan Diego natürlich sowieso von Kindesbeinen an gesungen.

Dies konnte nicht ohne Folgen bleiben. Bei seinen klassischen Konzerten und Liederabenden griff Flórez in den letzten Jahren mehr und mehr zur Gitarre danach. Nach dem offiziellen Programm unterhielt er im Zugabenteil mit schlichten Weisen und zart besaiteten Tönen. Aus diesen Zugaben wurde wundersamerweise eine CD, Bésame Mucho, und Flórez gastierte am Dienstagabend im Rahmen der Great Voices-Serie im Konzerthaus, um das Publikum dort unter anderem zu Tanz und Gesang zu animieren. Zumindest Letzteres gelang dem elegant gekleideten Mann aus Peru.

Honigweicher Tenor

Doch hauptsächlich war der kürzlich mit einem Opus Klassik als "Sänger des Jahres" ausgezeichnete Künstler natürlich zu Singen gekommen. Und das tat er auch ganz wundervoll: Mit seinem honigweichen, frei schwebenden Tenor und einem zwischen José Carreras und Julio Iglesias angesiedelten Timbre trug er Lieder aus Lateinamerika vor, erzählte von peruanischen und venezolanischen Pferden, von traurigen Tauben und schwarzen Eselinnen, von der Liebe, den Ländern und den Menschen dieses Kontinents, etwa in Guantanamera.

Immer wieder machte der 45-Jährige bei seinen epischen Erzählungen Rast auf einem Ton und hielt diesen eine halbe Ewigkeit aus – man hätte währenddessen Einkäufe erledigen können, wenn die Geschäfte zu dieser Zeit denn noch offen gehabt hätten. Apropos geschlossene Geschäfte: Die Latin-Lovers-Combo des Gewerkschaftsbundes Simmering-Ost hätte, so es sie gäbe, wahrscheinlich mehr Feuer im Allerwertesten als es die Begleitband von Juan Diego Flórez hatte. Es war fast schon wieder rührend, auf welch‘ staubtrockene, hüftsteife Art die Herren (plus Dame) unter der Leitung von Gitarrist Jonathan Bolívar Musik machten. Reduce to the max.

Und so tuckerte man in gemächlichem Tempo durch die vielgestaltigen musikalischen Lande Südamerikas, beschienen von der weichen, wärmenden Sonne der Stimme von Juan Diego Flórez. Getanzt wird dann das nächste Mal. Versprochen. (Stefan Ender, 17.10.2018)