Seit über zwanzig Jahren steht das Christian-von-Tusch-Werk im Fokus der montanarchäologischen Forschungen im Hallstätter Salzberg. Von 2014 bis 2016 wurde der gesamte Abbaustollen systematisch durchfotografiert mit dem Ziel, ein hochauflösendes 3D-Modell zu generieren. Nach über 16.000 Fotos und unzähligen Arbeitsstunden ist nun das Stollensystem der Archäologen im virtuellen bronzezeitlichen Salzbergwerk für die Öffentlichkeit zugänglich.

Wie ist es, in engen Arbeitsstollen mitten durch die Überreste verschütteter Abbauhallen eines bronzezeitlichen Salzbergwerks zu spazieren? Wie viele Leuchtspanreste, Pickelstiele, Werkzeugspuren und Seile lassen sich entdecken? Wo lag die älteste Holzstiege Europas? Und was haben die vielen großen Hölzer, angeordnet wie Mikadostäbchen, eigentlich zu bedeuten?

Crazy Eye

Zwischen den Schichten

Auch Archäologen erforschen gerne virtuelle Welten. Erstmals ist es möglich, den Arbeitsplatz der Hallstätter Archäologen virtuell zu betreten und sich von außen einen Überblick über das Stollensystem zu verschaffen. Man kann so gezielt in die circa 80 Zentimeter breiten Stollen des Bergwerks eintauchen, um sich zwischen meterdicken Schichten aus prähistorischem Betriebsabfall umzusehen. Dadurch wird die räumliche Enge und die Lage der prähistorischen Hölzer erlebbar.

Die Entstehung des virtuellen Salzbergwerks

16.000 hochauflösende Fotos wurden mithilfe von Software ausgewählt, bearbeitet, bereinigt und zu einem gigantischen 3D-Fotomosaik zusammengesetzt. Diese "Image-based Modelling" genannte Methode wird weltweit für die 3D-Aufnahme von Gegenständen, Flächen und auch Gebäuden in unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt. Auch die Dokumentation von geschlossenen, teils schwer zugänglichen Räumen mit schlechten Lichtverhältnissen – wie die Stollen eines Bergwerks – kann mit der richtigen Vorgehensweise gelingen. Eine genaue Planung, Ausleuchtung und Vermessung und die Berücksichtigung komplexer Überschneidungen der Befunde sind bei der Produktion der Fotos unumgänglich. Die Beherrschung von technischer Fotografie und ausreichend Erfahrung mit 3D-Software sind ebenso Voraussetzung.

Heutige Oberfläche des Hochtals mit 3D-Modell der archäologischen Arbeitsstollen und schematischer Darstellung der bronzezeitlichen Abbauhallen innerhalb der rötlichen Salzschichten.
Foto: Crazy Eye
Virtueller Arbeitsstollen der Archäologen mit Maßstab.
Foto: Crazy Eye
Innenansicht des Stollens.
Foto: Crazy Eye

Bedeutung für die Archäologie

Für die Archäologie bedeutet das 3D-Modell eine sehr genaue Dokumentation des Ist-Zustands von 2016, anhand dessen die räumlichen Zusammenhänge von schichtig abgelagertem bronzezeitlichem Bergbauabfall sowie geologischen Komplexen über verschiedene Stollenebenen hinweg sichtbar werden. Wichtig für die Auswertung ist vor allem die hochauflösende Fototextur, die es beispielsweise ermöglicht, Schichtgrenzen zu definieren oder auch kleinste Bestandteile in den Ablagerungen zu erkennen.

Das fertige Modell bietet viele technische Möglichkeiten, von Vermessung und diversen räumlichen Analysen wie etwa Volumensberechnungen bis hin zur öffentlichkeitswirksamen Präsentation. So können nicht nur Grundlagen für Animationen, sondern auch für virtuell begehbare Modelle, Virtual-Reality-/Augmented-Reality-Anwendungen oder Spiele geschaffen werden. Ein interaktiver Rundgang des Hallstätter Bergwerksmodells in "First Person"-Perspektive lädt dazu ein, jedes Detail des Bergwerks zu erkunden. Diese immersive Art der öffentlichen Präsentation ermöglicht nicht nur Wissenschaftern, sondern zum Beispiel auch Kindern und Menschen mit mobiler Beeinträchtigung einen Besuch ohne Verletzungsgefahr.

3D-Modell der Holzstiege.
Foto: Crazy Eye
Verstürzte Hölzer im virtuellen Bergwerk.
Foto: Crazy Eye
Wurzelstock eines Baumes, verstürzt durch Mure in der Bronzezeit (Foto und 3D-Modell).
Foto: Crazy Eye

Hinein in den Stollen

Nicht zuletzt wurde mit der 3D-Dokumentation auch eine digitale Kopie der Ausgrabung für die Nachwelt erstellt. Durch diese virtuelle Erhaltung des Kulturerbes können die Hallstätter Stollen durch das bronzezeitliche Bergwerk trotz des Bergdrucks, der die realen Stollen langsam eindrückt, noch lange begangen und ausgewertet werden. Teile des dokumentierten Bereichs sind schon jetzt nicht mehr begehbar oder einsturzgefährdet und somit im Original für weitere wissenschaftliche Fragestellungen nicht mehr verfügbar. Auch in Fernsehdokumentationen wird gerne auf virtuelle dreidimensionale Modelle zurückgegriffen, wenn es um die visuell ansprechende Erklärung von Zusammenhängen geht. Eine erste Videoanimation des Bergwerks-Modells wurde bereits für das Multimediaprojekt "ArchaeoBits" erstellt, das bis Ende Oktober finalisiert wird. (Aenna Linzbauer, Gerald Raab, 18.10.2018)