Paris – Joachim Löw ist über seinen Schatten gesprungen. Im Nations-League-Schlager gegen Frankreich bot Deutschlands Bundestrainer nicht weniger als fünf neue Spieler auf und warf damit seine konservative Herangehensweise der letzten Monate über Bord. Das Resultat war der beste DFB-Auftritt seit langer Zeit, bei der knappen 1:2-Niederlage befand man sich auf Augenhöhe mit dem Weltmeister.

"Wir haben das Herz in die Hand genommen und mutig nach vorne gespielt", sagte Löw. Auch für ihn selbst war das Spiel nach dem ernüchternden 0:3 in den Niederlanden ein Befreiungsschlag. "Man sollte das Trainerthema jetzt beenden. Wir müssen in Deutschland auch mal eine Phase mit Niederlagen und Rückschlägen akzeptieren, ohne gleich alles infrage zu stellen", sagte Schalke-Sportchef Christian Heidel.

Leroy Sane wurde von Joachim Löw zum siebenten Mal in die Startelf beordert.
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Jung und flink

Der notwendige Umbruch scheint jedenfalls eingeleitet. Taktisch flexibel und mit viel Tempo im Offensivspiel brachten die Deutschen die Gastgeber in Schwierigkeiten. Serge Gnabry (23), Leroy Sane (22), Thilo Kehrer (22), Niklas Süle (23) und Timo Werner (22) – das Quintett der Neuen gehörten ausnahmslos der jungen Generation an. Dazu kamen mit Matthias Ginter (24) und Joshua Kimmich (23) zwei weitere Spieler unter 25. Diese Generation muss nun mit Blick Richtung EM 2020 und WM 2022 Erfahrung sammeln. Konstanz auf diesem Niveau zu erreichen sei für sie der nächste Entwicklungsschritt, sagte Löw. Dass man es in der stärksten Phase vor der Pause trotz guter Möglichkeiten verpasste nachzulegen, sei "vielleicht die Cleverness und die Reife, die fehlt".

Sane, Werner und Gnabry gaben ein dynamisches Offensivtrio ab, wie man es beim DFB lange vermisst hatte. Da gab es auch Lob von Mats Hummels, einem von nur noch drei Finalhelden der WM 2014 in der Anfangsformation: "Sie haben viel Betrieb gemacht, viele Konter sehr gut gespielt, zwar das Tor nicht gemacht, sich aber gut bewegt und unheimlich viel in Laufwege investiert." Festzuhalten bleibt aber auch, dass erneut kein Tor aus dem Spiel gelang. Nur elf Treffer in den vergangenen 13 Länderspielen zeigen das größte deutsche Problem auf.

Frankreich konnte daher und auch dank einer Steigerung nach der Pause seine Bilanz gegen Deutschland weiter verbessern. Von 31 Matches haben die Franzosen nun bei neun Niederlagen und acht Remis 14 gewonnen (49:46 Tore). Beide französischen Treffer gingen auf das Konto von Antoine Griezman. Mit insgesamt sieben Toren im Jahr 2018 ist er der erfolgreichste Torschütze von Les Bleus. Er steht nun auch in den Top Ten der ewigen Bestenliste, nämlich auf Rang sieben mit 26 Treffern.

Traf und wurde laut: Antoine Griezmann.
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Lauter Knipser

Die erste Halbzeit jedoch missfiel ihm sehr, in der Pause soll Griezmann in der Kabine laut geworden sein: Der eine oder andere zeige nicht genügend Einsatz, lautetet der Vorwurf an die Mitspieler. Ja, sagte Trainer Didier Deschamps nach dem 2:1 des Weltmeisters gegen seinen Vorgänger, "es gab dieses Problem". Griezmann aber "muss die Motivation nicht auf diese Art forcieren". Über die Art der Kritik war Deschamps also mäßig glücklich, dem Inhalt dürfte er nicht aber widersprechen. Der Weltmeister ruht sich zunächst auf seinem Lorbeer aus, es fehlt der letzte Einsatz.

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Trotzdem liegt Frankreich in der Gruppe A1 nach drei Spielen mit sieben Punkten auf Platz eins, dahinter folgen die Niederlande (2/3) und Deutschland (3/1). Sollte Oranje am nächsten Spieltag im November gegen Frankreich gewinnen, wäre die DFB-Auswahl abgestiegen. Bei einem Unentschieden könnten sich die Deutschen mit einem Sieg mit mehr als drei Toren Unterschied gegen die Niederländer noch retten. Sollten diese gegen Frankreich verlieren, wäre dafür jeder Sieg genug. (sid, red, 17.10.2018)