Kasperl (Matthias Mamedof, re.) sieht im Wiener Nestroyhof nach den Rechten.

Foto: Theater Nestroyhof / Hamakom

Es hat schon besser ausgesehen mit den Vertretern des Volkssouveränität als dieser Tage im Theater Hamakom. In seinem Kasperlspiel vom Meister Siebentot hat der große Mödlinger Prosakünstler Albert Drach den Aufstieg Adolf Hitlers nacherzählt. Drach (1902-1995), ein Meister der protokollarischen Ausschweifung, hat sich dabei einer zuverlässigen Quelle bedient. Sie ist die furchtbarste, die sich denken lässt: die Urfassung von Hitlers Maulheldenbuch Mein Kampf.

Auf solchem Mist ist ein völlig unvergleichliches Puppendrama gewachsen. Drachs Kasperlspiel präsentiert Menschen aus Holzwolle und Sägespänen. Kasperl redet reichlich ungereimtes Zeug daher, aber alle Figuren in Drachs Pamphlet wirken rechtschaffen töricht. In ihren Hohl- und Holzköpfen rumort es. Kasperl saugt die Verballhornungen der staatsbürgerlichen Unvernunft auf und kehrt sie gegen ihre Urheber.

Er paktiert mit dem Teufel und unterzeichnet mit dem Blut seiner Mitmenschen. In Ingrid Langs salbungsvoller Ehrenrettung eines vergessenen Stücks bekommt man es mit einem feisten Weißclown (Matthias Mamedof) zu tun. Der sitzt quietschvergnügt auf dem Dach einer Schaubudenbaracke (Bühne: Vincent Mesnaritsch) und beäugt Lehrer, Schuster und Zinnsoldaten durch den Operngucker. Einige der Herrschaften verhalten sich wie Horváth-Figuren, in die jemand ein Uhrwerk eingebaut hat (Roswitha Soukup als Mitzi). Vor allem aber kann sich Langs Inszenierung nicht recht entscheiden, ob sie nun beim expressionistischen Tonfilm in die Schule gehen will oder bei den Tiger Lillies.

Die Auseinandersetzung mit Drach, dem Kronjuristen der menschlichen Gemeinheit, lohnt jede Anstrengung. Im Nestroyhof folgen auf die einigermaßen passable Aufführung ein paar Gedenktermine. (Ronald Pohl, 17.10.2018)