Derzeit ist die Skalierbarkeit bei Bitcoin-Blockchain tatsächlich eingeschränkt.

Illustration: Davor Markovic

Als das Automobil vorgestellt wurde, erklärten viele Zweifler, warum es niemals das Pferd ersetzen würde: Ein Automobil sei langsamer als ein galoppierendes Pferd, teurer als ein Pferd samt Kutsche, unzuverlässig, hätte eine begrenzte Reichweite, könne nicht im Freien aufbewahrt werden, sei zu laut, benötige schwer aufzutreibendes Benzin, könne nicht auf einer unebenen Strecke fahren – und anders als in einer Kutsche würden die Passagiere bei Regen nass werden. Doch die Zweifler irrten sich: Das Automobil setzte sich durch.

Aus der Geschichte sollte man lernen: Beim Einschätzen der Chancen einer neuen Technologie ist es trügerisch, von der Leistungsfähigkeit der Technologie zum Zeitpunkt ihres ersten Einsatzes auszugehen. Die ersten Autos waren tatsächlich bloß eine Art Spielzeug.

Dann aber kamen Unternehmer mit Weitsicht, die daraus ein Werkzeug für jedermann machten. Henry Fords Model T – ein seit 1908 auf dem Fließband gefertigtes Auto – war weitaus billiger, schneller und zuverlässiger als die älteren Modelle.

In den folgenden Jahrzehnten verbesserten findige Unternehmer die Motoren und die Bereifung, bauten Tankstellennetze auf und entwickelten Blinklichter, Bremssysteme, Sitzgurte, Schiebedächer, elektrische Fensterheber, die Servolenkung, das automatisierte Schaltgetriebe, Airbags und Katalysatoren. Vergleicht man ein Model T von Ford mit dem Model S von Tesla, dann fällt auf, dass beide ein Lenkrad haben, es im Tesla aber nicht unbedingt verwendet werden muss.

Die Geschichte mit dem Pferd und dem Automobil wiederholt sich möglicherweise gerade: Im Oktober 2008, also vor ziemlich genau zehn Jahren, wurde unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto auf einer Kryptografie-Mailinglist ein neues dezentrales elektronisches Geldsystem präsentiert. Heute gibt es kaum jemanden, der noch nicht von diesem Peer-to-Peer-Geld namens Bitcoin gehört hat. Wird es sich aber durchsetzen?

Zahlreiche Kritikpunkte

Dazu hört man oft Folgendes: Das Bitcoin-Zahlungssystem sei nicht leistungsfähig genug, benötige zu viel Energie, sei zu komplex, werde vor allem zur Geldwäsche genutzt und deshalb von den Regierungen verboten. Überdies gebe es zu viele Kryptowährungen. Mit anderen Worten: Bitcoins würden niemals konventionelles Geld ersetzen. Stimmen die Einwände heute? Und werden sie auch noch in zehn Jahren zutreffen? Oder ist Bitcoin das gerade erst erfundene Automobil der Finanzwelt?

Satoshi Nakamoto hat bekanntlich zwei Erfindungen gemacht: Bitcoin – eine elektronische Währung samt Zahlungssystem – und Blockchain – eine Transaktionsdatenbank, die Bitcoin zugrunde liegt. Die Blockchain ist eine Kette von Datenblöcken, wobei jeder Block – wie ein Container – eine Liste von Transaktionen enthält. Ungefähr alle zehn Minuten wird ein neuer Block an die Blockchain angehängt, wobei die mögliche Anzahl der in einem Block enthaltenen Transaktionen limitiert ist.

Geht man vom historischen Höchstwert von circa 2700 Transaktionen pro Block aus, dann ergibt sich daraus ein Durchsatz von circa 16.200 Transaktionen pro Stunde. Diese Zahl wird oft mit dem Visa-Kreditkartensystem verglichen, das 56.000 Transaktionen pro Sekunde ermöglichen soll und somit mehr als 12.000-mal so leistungsfähig ist.

Derzeit ist die Skalierbarkeit bei Bitcoin-Blockchain tatsächlich eingeschränkt. Dies ist aber allen Beteiligten bewusst, und es gibt auch kurzfristige Lösungen dafür. Parallel werden auch schon neuere "High-Performance-Blockchains" entwickelt, die das Visa-System betreffend Durchsatz weit überholen werden. Es gibt zahlreiche universitäre Einrichtungen, die in diesem Bereich forschen. Eine Weiterentwicklung dieser jungen Technologie ist so gut wie sicher.

Hoher Energieverbrauch

Eines der immer wieder vorgebrachten Argumente gegen Kryptowährungen lautet, Bitcoin verschwende durch Mining (Transaktionsverarbeitung) so viel Strom, wie ganze Länder benötigen. Darauf kann man entgegnen, dass die zweifellos große Menge eingesetzter Elektrizität eben nicht "verschwendet" wird; sie dient vielmehr dazu, die Integrität der Buchhaltung eines Währungssystems (d. h. der Bitcoin-Blockchain) aufrechtzuerhalten.

Kryptowährungen mit einem geringeren Stromverbrauch sind nachweislich unsicherer. Sie können leichter Opfer von sogenannten 51-Prozent-Attacken werden, bei denen ein Angreifer mehr als die Hälfte des Netzwerks kontrolliert. Abgesehen davon gibt es schon jetzt zahlreiche Blockchains, die auf den neuen Konsensmechanismus Proof-of-Stake umgestiegen sind, der unvergleichlich weniger Strom in Anspruch nimmt.

Hohe Komplexität

Wer sich ein wenig mit der Bitcoin zugrunde liegenden Technologie beschäftigt hat, kennt ihre Komplexität: Elliptische-Kurven-Kryptografie, Hash-Funktionen und digitale Signaturen sind für einen Nichtmathematiker schwer zu verstehen. Aber wird diese Komplexität wirklich dazu führen, dass sich Kryptowährungen nicht durchsetzen werden, wie manche behaupten?

Wir leben in einem sehr technologischen Zeitalter und verwenden unzählige Geräte, deren Funktionsweise wir nicht verstehen. Jeder von uns kann zum Beispiel eine Mikrowelle bedienen, aber die wenigsten können adäquat erklären, wie sie funktioniert. Genauso könnte es mit Kryptowährungen sein: Smartphone-Apps mit ansprechendem Design und leichter Bedienung weisen hier den Weg.

Sie verdecken Komplexität, sodass der Nutzer nicht eingeschüchtert wird durch Wallet-Adressen wie "1F9cZYh3ZB6gdF9mnzLgFn6yqn- FvpP9iHn" oder Fachausdrücke wie "Unspent Transaction Outputs".

Und das Geldwäschethema? Abgesehen von der bevorstehenden Ausweitung der Geldwäschevorschriften in der EU auf Kryptobörsen scheint es keine nennenswerten Unterschiede zwischen der Nutzung des Bankensystems und des Kryptowährungssystems durch Kriminelle zu geben. Ein Geldsystem wie Bitcoin, bei dem eine öffentliche Datenbank aller Transaktionen besteht, ist möglicherweise doch nicht die beste Waschmaschine für einen Geldwäscher.

Zu viele Kryptowährungen

Bitcoin ist eine Open-Source-Anwendung. Jeder kann den Quellcode herunterladen, modifizieren und in kürzester Zeit seine eigene Kryptowährung lancieren; man braucht im Wesentlichen nur einen neuen Namen und ein ansprechendes Logo. Abgesehen von diesen "Clones", gibt es zusätzlich noch "Forks", also Abspaltungen von einer Blockchain. Ein weiteres Argument gegen Bitcoin lautet somit, es gäbe eine unübersichtliche, stets steigende Menge an Kryptowährungen, von denen sich keine durchsetzen wird. Stimmt das?

Es gibt tatsächlich viele Kryptowährungen, und viele von ihnen sind im Wesentlichen Plagiate ohne echten Mehrwert. Einige von ihnen zeichnen sich allerdings auch durch Innovation aus. Zcash zum Beispiel hat neue kryptografische Erkenntnisse (zk-SNARKs) eingebaut. DASH hat eine sogenannte Decentralised Autonomous Organization (DAO) eingeführt, die ein eigenständiges Budget für Forschung und Marketing verwaltet.

IOTA wiederum verwendet Directed Acyclic Graphs (DAGs), eine Weiterentwicklung der Blockchain-Technologie. Kryptowährungen mit innovativen Eigenschaften werden wahrscheinlich in dem Währungswettbewerb gewinnen und die anderen verdrängen. Und überall sehen wir Wettbewerb als gut an. Warum nicht auch bei Kryptowährungen?

Einige der gegen Kryptowährungen und insbesondere Bitcoin vorgebrachten Kritikpunkte sind schon heute nicht stichhaltig. Andere nehmen eine statische Sichtweise ein, die jegliche Möglichkeit von Weiterentwicklung, menschlichem Einfallsreichtum und innovativer Disruption negiert. Genauso wie das erste Automobil das Pferd nicht ersetzen konnte, aber sukzessive verbessert wurde, kann man davon ausgehen, dass auch Kryptowährungen erst am Anfang stehen. (Niklas Schmidt, Wirtschaft & Recht Journal, 19.10.2018)