Dass das Fach Gender Studies per Regierungserlass aus Ungarns Universitäten verbannt wurde, ist vor allem ein machtpolitischer Schachzug von Premier Viktor Orbán. Die Argumentation der ungarischen Führung nämlich könnte kaum widersprüchlicher sein: Von mangelnder Nachfrage nach Absolventen ist dort die Rede, gleichzeitig heißt es, die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit geschlechterspezifischen Rollenbildern würde die christlichen Fundamente der Nation zerstören.

Wenn ein angeblich bedeutungsloses Uni-Fach mit ein paar Dutzend Studierenden zur Gefahr für die Gesellschaft stilisiert wird, dann heißt das: Viktor Orbán erschafft sich wieder einmal ein fiktives Bedrohungsszenario, vor dem er sein Volk zu schützen gedenkt. So wie bei seinem – weitaus größer aufgeblasenen – Feldzug gegen den angeblichen Plan des ungarischstämmigen US-Philanthropen George Soros, Europa mit Flüchtlingen zu überschwemmen.

Das theoretische Blendwerk zu Orbáns Strategie liefert diesmal das regierungsnahe Blatt "Figyelo": Gender Studies würden einer "kommunistischen Logik" folgen, indem sie den Klassenkampf "auf den Kampf zwischen Mann und Frau übertragen". Deshalb handle es sich gar nicht um eine Wissenschaft, sondern um eine Ideologie. Nicht Akkreditierungskommissionen sollen also über die Wissenschaftlichkeit von Studienfächern entscheiden, sondern Orbán und seine Parteigänger. Das ist vor allem eines: ideologisch.(Gerald Schubert, 17.10.2018)